Denn der Geist Gottes streikt nicht

von Stefan Mendling

Stefan Mendling

Die Kirche feiert mal wieder Geburtstag. Und was wünscht sich eine alte Dame zum Geburtstag? Die meisten würden sagen, geistig fit zu bleiben, das ist ihr größter Geburtstagswunsch. Geistige Fitness bedeutet, mit allen Herausforderungen des ­Alltags umgehen und sich auf das ­eigene Urteilsvermögen verlassen zu können. Auch der „alten Dame“ Kirche macht das manchmal Probleme. Man merkt auch ihr das Alter an: Es klappt einfach nicht mehr so wie ­früher. Sind das die normalen Alterserscheinungen?

Zum Beispiel, wenn die Kirche ein Problem damit hat, dass in ihren Kindertagesstätten gestreikt wird. Eigentlich verboten – und trotzdem kommt es immer häufiger vor. Man kann die Erzieherinnen und Erzieher gut verstehen, die sich dem Streik anschließen. Ihr Wunsch nach einer Aufwertung ihres Berufs ist mehr als berechtigt. Die Kirche verbietet aber aus geistlichen Gründen den Streik in ihren Einrichtungen, weil sie nach ihrem Selbstverständnis in allen Arbeitsbereichen das Evangelium verkündet; entweder direkt wie im Gottesdienst oder zwischen den Zeilen wie bei der Arbeit in den Kindertagesstätten.

Aber warum sollte in ihren Kindertagesstätten nicht gestreikt werden? Doch wohl nicht, weil es ein Streikverbot gibt, sondern weil sich die Mitarbeiter als Überbringer des Evangeliums verstehen und Lohnstreitigkeiten nicht über die Verkündigung des Evangeliums stellen wollen. Offenbar herrscht aber nicht in allen kirchlichen Kindertagesstätten dieses Selbstverständnis. Wenn das so wäre, bräuchte die Kirche als Dienstherrin das Wort Streikverbot gar nicht erst in den Mund zu nehmen. Ein Verbot allein hilft niemandem weiter, wenn der gemeinsame Teamgeist dabei auf der Strecke bleibt.

Das Einzigartige am Pfingstfest ist, dass der Geist Gottes bewirkt, dass der eine den anderen versteht. Dazu gehört auch, dass man sich in den anderen hineinversetzen kann. Es ist zu hoffen, dass der Kirche das auch in ihren Kindertagesstätten gelingt. Denn nur dann kann der Geburtstagswunsch auch in Erfüllung gehen, dass die „alte Dame“ Kirche geistig fit bleibt. Dann wird sie den Wunsch nach besseren Arbeitsbedingungen in diesem wichtigen Arbeitsbereich nicht nur verstehen, sondern auch unterstützen. Und sie wird nicht mit Verboten drohen. Sie wird ihre Beschäftigen davon begeistern, ohne Unterlass das Evangelium auch im Umgang mit Kindern und Eltern weiterzugeben.

Ein weiterer Geburtstagswunsch besteht darin, dass die Kirche spürt, dass es dank des Geistes keine Frage des Alters ist; weht in der Kirche dieser neu machende Geist Gottes, muss sie sich nicht als „alte Dame“ fühlen, sondern darf sich darauf freuen, dass sie immer wieder neu, jung und fit das Evangelium allen Menschen zu allen Zeiten verkündet. Auch in ihren Kindertagesstätten. Denn der Geist Gottes streikt nicht.

Meistgelesene Leitartikel & Kommentare