Friedensforscher fordern mehr Einsatz

von Wolfgang Weissgerber

Wolfgang Weissgerber

Von Friedensforschern zu erwarten, dass sie zu den Waffen rufen, wäre wohl zu viel verlangt. Insofern sind viele Thesen im neuen deutschen Friedensgutachten wenig überraschend. Dennoch sind manche Sichtweisen und Argumente der Friedensforscher nicht selbstverständlich. Denn sie fordern von Deutschland ­etwas lange Verpöntes: mehr Einsatz.

Nach den Schrecken des von Deutschland angezettelten Zweiten Weltkriegs bevorzugte die junge Bundesrepublik eine „Ohne-mich“-Politik. Internationale Konfliktlösung besorgten die USA, Franzosen und Briten, Deutschland hielt sich raus. Am deutschen Wesen sollte die Welt so bald nicht mehr genesen, Außenpolitik erledigte Bonn – und später Berlin – lieber mit dem Scheckbuch als durch die Demonstration von Stärke.

Erst in den 1990er Jahren wandelte sich das, als die Bundeswehr des wiedervereinigten Deutschlands erst zögerlich, dann immer selbstverständlicher bei internationalen Friedensmissionen mitzumischen begann. Vom Frieden sichern zum Frieden schaffen war es dann nur noch ein kleiner Schritt. Mittlerweile werden unter Deutschlands Freunden und Nachbarn – selbst in Polen und in Frankreich – die Rufe nach deutscher Führung immer lauter. Im Schuldenstreit Europas mit den Griechen hat sich die Kanzlerin nach anfänglichem Zaudern schon in diese Rolle gefügt, unter dem Beifall aller mit Ausnahme der Griechen.

Und jetzt fordern das selbst die Friedensforscher: Deutschland soll sich mehr einbringen, mehr einmischen. Aber natürlich nicht mit seiner Führungsrolle im internationalen Waffenhandel. Die Forscher sind zwar Realisten genug, um zu erkennen, dass der Terrorfeldzug des selbsterklärten Islamischen Staats durch gutes Zureden allein nicht aufzuhalten sein wird. Dennoch müsse man im Notfall „selbst mit dem Teufel reden“, regen die Wissenschaftler an. Afghanistan ist dafür ein mahnendes Beispiel. Dort wurden Verhandlungen mit den Taliban kategorisch ausgeschlossen. Doch als das Debakel erkennbar wurde, setzte man sich mit ihnen an einen Tisch.

Und wie, wenn nicht auf diplomatischem Wege, ist die Krise in der Ukraine zu bewältigen? „Verantwortungsvolle Außenpolitik muss präventiv sein“, lautet eine Kernforderung der Friedensforscher. Also nicht erst im Konfliktfall in hektische Betriebsamkeit verfallen, sondern Ursachen erkennen und frühzeitig gegensteuern. Nicht Flüchtlingsströme eindämmen, sondern Hunger und Armut bekämpfen. Nicht Diktatoren hofieren, sondern Freiheit und Demokratie fordern und fördern. Nicht Waffen liefern, sondern Wissen. Sogar ökonomisch ist das sinnvoll, rechnet man die gewaltigen Rüstungsausgaben gegen die mickrigen Kosten der Prävention. Das predigen im Übrigen die Kirchen, Entwicklungsorganisationen und die Friedensbewegung seit Jahrzehnten unablässig. Bislang leider ohne Erfolg.

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