Zerfallende Staaten überfordern den Westen

von Klaus Koch

Klaus Koch

Es gibt gute Gründe, den deutschen Militäreinsatz in Syrien abzulehnen. Wie schon bei den Einsätzen in Afghanistan, im Irak oder in Libyen fehlt auch dem Einsatz in Syrien eine überzeugende politische Strategie. Wenn der unwahrscheinliche Fall einträte, dass der sogenannte IS schnell besiegt würde, keiner wüsste, was mit den von den Terroristen besetzen Regionen geschehen soll. Würden sie an Assad zurückfallen, würde dort ein Kurdenstaat gebildet oder eine Schutzzone für die Bevölkerung unter internationalem Protektorat? Hinzu kommt, dass es gegensätzliche Interessen unter den Verbündeten gegen den IS gibt. Russland, die Türkei, die Armee Assads und der Westen sind sich im Ziel einig, den IS zu verdrängen: Was danach geschieht, sehen sie höchst unterschiedlich.

Es gäbe im Vorfeld von militärischen Einsätzen viel zu tun, um den IS zu schwächen. Weder die Waffenlieferungen an die Terrorgruppe noch deren Geldströme werden bisher wirkungsvoll unterbunden. Und zur Wahrhaftigkeit in der Debatte gehört auch, dass Deutschland als Kriegspartei nun noch stärker in den Fokus der Terroristen rückt. Auf mindestens zehn Jahre hat Außenminister Walter Steinmeier die Kriegszeit in Syrien veranschlagt. Viel Zeit für die Propagandisten des Terrors, das westliche Engagement als modernen Kreuzzug gegen den Islam anzuprangern und so die Ideen des islamistischen Terrors in den Köpfen vieler Menschen in vielen Ländern entstehen zu lassen. Auch dagegen gibt es keine überzeugende Strategie. Es ist ein Desaster, aber die westlichen Staaten sind überfordert, wenn es um den Umgang mit zerfallenden Staaten geht.

Trotz all dieser Argumente hat Deutschland keine andere Wahl, als sich an dem militärischen Engagement zu beteiligen. Es ist noch kein Menschenleben her, da waren Deutschland und Frankreich aufs Blut verfeindet. Zwischen den beiden Ländern ist inzwischen eine grandiose Freundschaft gewachsen. Und wenn der Freund um Hilfe bittet, kann sich Deutschland nicht kopfschüttelnd in die Ecke stellen. Lange genug haben viele Länder dem Konflikt in Syrien zugeschaut in der Hoffnung, er werde sich von selbst erledigen. Doch der Krieg hört nicht auf, er kommt – in Gestalt von Flüchtlingen – zu uns. Und damit spaltet er die Europäische Gemeinschaft und ihre Gesellschaften. Das ist ein Sieg für den Terror.

Angesichts der verheerenden Folgen, die der Verlust von Staatlichkeit im Nahen und Mittleren Osten hat, müssen die westlichen Länder auf den Zustand ihrer Staaten achtgeben. Politikverdruss, Verschwörungstheorien und politischer Populismus nagen auch an den Grundfesten der staatlichen Verfassung Deutschlands. Wer aber gegen die Barbarei und für Menschlichkeit, Pluralismus und Demokratie Krieg führt, muss diese Werte im eigenen Land hochhalten. Sonst ist dieser Krieg nicht zu gewinnen.

Meistgelesene Leitartikel & Kommentare