So feiern Päpste 500 Jahre Reformation

von Martin Schuck

Martin Schuck

Jetzt hat sich auch der Papst offiziell zum Reformationsgedenken angemeldet. Für den Reformationstag 2016 plant er eine gemeinsame Gedenkfeier mit dem Lutherischen Weltbund (LWB) im schwedischen Lund. Einige hundert Kilometer weiter südlich wird am selben Tag die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in Wittenberg das abschließende Jahr ihrer Reformationsdekade eröffnen. Es steht zu befürchten, dass der Auftritt des Papstes die EKD aus den Schlagzeilen verdrängen wird. Damit würde sich für die Öffentlichkeit eine Lesart der Reformation nahelegen, die weder den historischen Tatsachen noch der ökumenischen Realität gerecht wird.

Wittenberg ist zwar als Wirkungsort Martin Luthers der Ausgangspunkt der Reformation, aber Lund ist Gründungsort des LWB, der dort 1947 als Dachverband lutherischer Kirchen ins Leben gerufen wurde und heute knapp 70 Millionen Lutheraner weltweit repräsentiert. Historisch kommt dem schwedischen Luthertum das Verdienst zu, durch das Eingreifen König Gustav Adolfs in den Dreißigjährigen Krieg das Überleben des Luthertums zumindest im damaligen Deutschen Reich mitermöglicht zu haben. In Schweden war das Luthertum, wie heute noch in Dänemark und Island, bis 1999 Staatsreligion; bis weit ins 19. Jahrhundert hinein war die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche dort verboten.

Trotz der Gegnerschaft zu Rom entwickelte sich in Skandinavien ein hochkirchliches Luthertum, das durch die starke Betonung des Bischofsamts viel von der hierarchischen Verfassung der katholischen Kirche übernommen hat. Das wirkt sich bis heute auf die Haltung der schwedischen Lutheraner aus. In den 1990er Jahren unterzeichnete die schwedische Kirche gemeinsam mit anderen nordischen lutherischen Kirchen ein Abkommen mit der anglikanischen Church of England.

In dieser Erklärung wurden Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen Lutheranern und Anglikanern erklärt. Seither ist bei der Einführung eines lutherischen Bischofs immer ein anglikanischer Bischof anwesend, wodurch eine Verbindung mit dem katholischen Bischofsamt gewahrt bleiben soll, von dem sich die Anglikaner niemals ganz losgesagt haben. Der Vatikan schätzt die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft der nordischen Lutheraner mit den Anglikanern ökumenisch deutlich höher ein als die durch die Leuenberger Konkordie ermöglichte Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft der Lutheraner mit den übrigen reformatorischen Kirchen.

Seit die römische Kirche nach 1965 ökumenische Kontakte mit den reformatorischen Kirchen suchte, war der LWB bevorzugter Gesprächspartner. Ein gemeinsames Reformationsgedenken mit dem LWB in Schweden wirkt nicht nur wie eine späte Versöhnung mit der Kirche Gustav Adolfs, sondern stellt auch eine Verkürzung des heutigen Protestantismus auf das organisierte Luthertum dar.

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