Computer kennen keinen Sekundenschlaf

von Wolfgang Weissgerber

Wolfgang Weissgerber

Das Auto der Zukunft fährt von selbst. Das bereitet vielen Menschen Unbehagen. Doch diese Sorge ist unbegründet. Schon jetzt schalten Rechner und Sensoren im Auto von selbst das Licht und den Scheibenwischer an, verdunkeln die Rückspiegel, halten das Tempo, den Abstand und den Wagen in der Spur. Besser als der Mensch.

Computerhersteller, Softwareschmieden, Maschinenbauer und Automobilkonzerne tüfteln an Fahrzeugen, die wie von Geisterhand gesteuert fahren, ohne dass der Mensch noch lenkend oder korrigierend eingreifen muss. Sie sind dabei bereits erstaunlich weit gekommen. In Fabriken sind führerlose Transportsysteme schon lange im Einsatz. Klaglos und weitgehend störungsfrei pendelt seit mehr als 20 Jahren der „Sky-Train“ zwischen den beiden Terminals des Frankfurter Flughafens vollautomatisch hin und her.

Doch das sind geschlossene Systeme. Die Stunde der Bewährung schlägt auf der Straße. Dort wird der Traum eines jeden Spediteurs – der Lastwagen ohne Fahrer – bald Realität. Zumindest auf der Autobahn. Im Herbst begann in Baden-Württemberg der Testbetrieb, die Serienproduktion ist für 2020 avisiert. Ein Mensch wird auch in Zukunft mitfahren müssen, kann sich aber mit anderen Aufgaben beschäftigen. Sein Kollege Computer kennt keinen Sekundenschlaf.

Die Autobahn ist jedoch ein relativ sicheres Terrain: Es geht immer geradeaus, weder Ampeln noch Kreuzungen stören den Verkehrsfluss, an der Ausfahrt übernimmt wieder der Mensch. Wirklich knifflig wird es in der Stadt. Dort wird ein- und ausgeparkt, Fahrradfahrer tauchen unvermittelt auf, Fußgänger überqueren die Straße an Stellen, wo sie es gar nicht dürfen, Vorfahrtsregeln werden missachtet und, und, und … Das überfordert manchen Menschen, und Computerprogramme erst recht. Noch.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Software so ausgefeilt ist, dass sie auch mit komplexen Situationen zurechtkommt. Der Computer jedenfalls ist so programmiert, dass er das Auto niemals mit 80 Stundenkilometern durch eine Tempo-30-Zone brettern lässt, und er setzt sich auch nicht besoffen ans Steuer. Er fummelt nicht bei voller Fahrt am Smartphone herum, statt auf die Straße zu schauen. Der Autoroboter überholt nur, wenn das gefahrlos möglich ist, achtet die Vorfahrt und hält brav an jeder roten Ampel.

Kann er aber auch in Grenzsituationen intuitiv entscheiden? Wenn ein Kind unvermittelt auf die Straße rennt, opfert dann der Computer das Kind, oder lenkt er den Wagen an die nächste Wand und riskiert das ­Leben der Fahrzeuginsassen? Da ­werden die Programmierer an ihre Grenzen stoßen. Das tut der Mensch im Auto aber ständig. Mehr als 3000 Verkehrstote pro Jahr sind der Beweis. Unsere Straßen können nur sicherer werden, wenn emotionslose Computer den Menschen in all seiner Unzulänglichkeit unterstützen.

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