Besser in Polen als in Zentralafrika

von Andrea Seeger

Andrea Seeger

Die durchschnittliche Rente in Deutschland liegt unter 1200 Euro. Viele Senioren müssen mit weitaus weniger Geld auskommen, darunter viele Frauen. Das Leben ist teuer, Mieten für den knappen Wohnraum in den Ballungsräumen steigen, Preise für Heizung und Energie explodieren. Die Kosten im Heim- und Pflegebereich zeigen nur in eine Richtung: nach oben. Da wundert es nicht, wenn sich Menschen Gedanken machen über die Pflege ihrer Angehörigen.

Die Unternehmensberatung Pricewaterhouse-Coopers hat nachgefragt in Sachen Pflege. Repräsentatives Ergebnis: Die Hälfte aller Deutschen kann sich vorstellen, ihre Lieben im Ausland pflegen zu lassen. Das ist ja nicht neu, nur der Ansatz ist heute ein anderer als vor zwei Jahrzehnten. Die Seniorenresidenz „Es Castellot“ in Santa Ponsa unweit von Palma de Mallorca besteht seit 1995 und war die erste diakonische Einrichtung dieser Art im Ausland. Viele Deutsche machten Urlaub auf der Sonneninsel, kauften sich dort Eigentum. Im Alter aber wollten sie versorgt sein und nicht unbedingt ins kalte Deutschland zurückkehren. Da war es nur folgerichtig, ein solches Heim zu schaffen. Das hatte nicht vorrangig mit Kostenersparnis zu tun wie heute.

Anbieter locken mit günstigen Preisen. Thailand und die Philippinen zum Beispiel. Natürlich fallen sie nicht sofort mit der (Kosten-)Tür ins Haus. Sie nennen zuerst weiche Faktoren. Beides seien Länder, in denen ganzjährig die Sonne scheine, in der kulturell ältere Menschen geachtet und respektiert würden. Zudem seien die Lebenshaltungskosten rund 60 Prozent niedriger als daheim. Insbesondere für Senioren mit eher bescheidener Rente, für die ein Leben in Deutschland immer teurer werde, stellten diese Länder eine überlegenswerte Alternative dar, um den Lebensabend hier zu verbringen.

Auch Altenheime in Polen, Tschechien oder Ungarn werben in Deutschland um Kunden. Das Pflegepersonal besteht oft aus Frauen, die jahrelang in Deutschland Dienstleistungen verrichtet haben und zumindest über deutsche Sprachkenntnisse verfügen. Das senkt die Hemmschwelle, seine Verwandten dort betreuen zu lassen. Und natürlich ist man schneller in Polen als auf den Philippinen.

Richtig günstig von den Kosten her gesehen wäre Zentralafrika. Die Pflege ist dort für ein Zehntel der deutschen Kosten zu haben. Billigheime in Afrika haben schon einmal eine Rolle gespielt, 2007 in dem ZDF-Dreiteiler „Aufstand der Alten“. Die Doku-Fiction ist im Jahr 2030 angesiedelt und beschreibt ein Schreckensszenario. Die Menschen bekommen Beruhigungsmittel und vegetieren vor sich hin. Sicher, das ist Fiktion. Tatsache aber ist: Die Kosten für die Betreuung im Alter sind so hoch, dass viele Menschen nicht mehr wissen, was sie machen sollen. Und da liegt der Gedanke, Onkel Rudi oder Tante Berta in Polen unterzubringen, nicht so fern.

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