Ohne Sprache keine Integration

von Renate Haller

Renate Haller

Omar will Deutsch lernen. Unbedingt. Jede Woche geht er zu seinem Kurs, der eigentlich kein echter Kurs ist. Ehrenamtliche laden die Flüchtlinge zum Lernen ein, so wie das im ganzen Land 1000-fach geschieht.

Ohne Sprache kann Integration nicht gelingen. Über diesen Grundsatz herrscht Einigkeit. Gerungen wird im Rahmen des geplanten Integrationsgesetzes nur darüber, wer wann das Recht zur Teilnahme an einem Sprach- oder Integrationskurs hat. Die Mittel dazu sollen aufgestockt werden. Geld in die Sprachförderung zu stecken, ist ein guter Plan. Aber er muss schneller umgesetzt werden. Derzeit sitzen Hunderttausende Tag für Tag in ihren Unterkünften und haben nichts zu tun. Gar nichts. Pfarrer Andreas Lipsch, Vorsitzender von Pro Asyl, spricht von einer „Desintegrationsmaschine“. Er nennt das Beispiel von somalischen Jugendlichen, die nach drei Jahren in Deutschland noch nicht einmal ein Gespräch mit der Asylbehörde hatten.

Weder die jungen Somalier noch Omar sind Einzelfälle. Überall fehlt es an Kursen, an Lehrerinnen und Lehrern. Statt alle Kraft auf dieses Problem zu konzentrieren, schafft es Innenminister Thomas de Maizière (CDU), in den Diskussionen über ein Integrationsgesetz den Fokus auf Sanktionen zu legen. Wer an Kursen nicht teilnimmt, muss Leistungskürzungen hinnehmen. Nun ist an dem Grundsatz „fördern und fordern“ nichts auszusetzen, aber die Bedingungen dafür müssen stimmen. Mit dem Gerede von Sanktionen stellt de Maizière die Flüchtlinge unter den Generalverdacht der Verweigerung. Dazu müsste ihnen allerdings erst einmal ein Kurs angeboten werden.

Der kürzlich vorgelegte Datenreport 2016 macht wieder einmal den Zusammenhang zwischen Bildung und Integration deutlich: Je besser qualifiziert, umso seltener arbeitslos. Nach den Zahlen hat in Deutschland inzwischen jeder Fünfte ausländische Wurzeln. Die erfreuliche Nachricht: Es ist gelungen, ohne große Verwerfungen Millionen Menschen in die hiesige Gesellschaft zu integrieren. Die schlechte: Die Zahl der Erwerbstätigen liegt bei den Menschen mit Migrationshintergrund um elf Prozent unter der entsprechenden Zahl bei den Menschen ohne Migrationshintergrund.

Der Unterschied bei der Erwerbstätigkeit muss also Anreiz sein, noch stärker in die Bildung zu investieren. Den Anfang dazu müssen Sprach- und Integrationskurse für alle Flüchtlinge machen, die lange vor Abschluss der insgesamt beschleunigten Verfahren angeboten werden. Die Integration findet in den Städten und Gemeinden statt. Dort, wo sich Ehrenamtliche um die Flüchtlinge bemühen, wo Nachbarn sich mit ihnen unterhalten, wo sie im örtlichen Fußballverein dabei sind und wo sie eine Arbeit finden. Aufgabe der Politik ist es, schnell für Strukturen zu sorgen, damit dies möglich ist. Das ist wichtiger, als Drohkulissen aufzubauen.

Meistgelesene Leitartikel & Kommentare