Kritik an Umgang der Kirchen mit dem Islam

von Klaus Koch

Klaus Koch

Seit Jahrzehnten ist die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) ein bevorzugter Ansprechpartner für die deutsche Politik und die christlichen Kirchen im Land. Das war lange bequem. Ditib erreicht etwa 70 Prozent der türkischstämmigen Muslime in Deutschland. Solange den Regierenden in Ankara die Religion nicht so wichtig war, bot Ditib zudem die Gewissheit, dass in ihren rund 900 Moscheen in Deutschland keine radikale Form des Islam gepredigt wird. Denn die Ditib-Imame kommen aus der Türkei, werden von der dortigen Religionsbehörde bezahlt, und auch die Freitagspredigt wird in Ankara verfasst. Ein für deutsches Religionsverständnis eher merkwürdiges Konstrukt, aber es bot Verlässlichkeit.

Nun jedoch gehen deutsche Politiker auf Distanz. Die Abhängigkeit der Ditib vom türkischen Staat wird zum Problem, da sich dieser in eine Autokratie verwandelt, Grundrechte einschränkt und aus dem bisher gepflegten konservativen Islam ein politischer Islam wird. Vor allem die Zusammenarbeit beim Religionsunterricht ist ein Knackpunkt. Die deutsche Politik will verhindern, dass Erdogan via Ditib Einfluss in deutschen Klassenzimmern erhält.

Während die Politik nachdrücklich darauf besteht, dass sich Ditib von der türkischen Regierung unabhängig macht und zum Rechtsstaat bekennt, sind die christlichen Kirchen zurückhaltend. Auch für sie ist Ditib einer der wichtigsten Ansprechpartner im interreligiösen Dialog. Und in diesem Dialog sind die christlichen Vertreter sehr behutsam und versuchen, alles zu vermeiden, was als Kritik oder Überheblichkeit ausgelegt werden könnte. Doch an dieser Zurückhaltung gibt es nun vonseiten liberaler Muslime Kritik. Abdel-Hakim Ourghi, Leiter des Fachbereichs Islamische Theologie an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg, spricht gar von einer unheiligen Allianz der Kirchen mit den muslimischen Dachverbänden, die desaströse Folgen haben werde.

Nach Ansicht Ourghis vertreten alle Dachverbände den konservativen Islam. Sie betrachteten sich als Inhaber der absoluten Wahrheit. Nur nach außen verkauften sie den Islam als Religion des Friedens, predigten ihn nach innen jedoch als gottesrechtliche Gesellschaftsordnung. Nach Ansicht des Wissenschaftlers pflegen die Wortführer der islamischen Dachverbände meisterhaft die Opferrolle, schlagen aber auch den Ton des Überlegenen an, der eher fordert als gibt. Ourghi kommt zu dem Schluss, dass die muslimischen Verbände meilenweit davon entfernt sind, einen aufgeklärten, humanistischen Islam zu etablieren. Er geht sogar so weit zu sagen, dass die Kirchen durch die Zusammenarbeit mit den konservativen Verbänden und ihre Kritiklosigkeit ihnen gegenüber dazu beitragen, dass sich ein liberaler, aufgeklärter Islam in Deutschland nicht entwickeln kann. Diese Kritik von muslimischer Seite müsste den Kirchen zumindest zu denken geben.

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