Comeback der Bunker in angstgeprägter Zeit

von Wolfgang Lammel

Wolfgang Lammel

Urplötzlich war es wieder da. Ein Wort, das scheinbar längst auf der Müllhalde der Geschichte verrottete, kam in diesen Tagen wieder zum Vorschein. Es ist der bittere Beigeschmack von Angst, Krieg, Not und Tod, der dem Begriff „bunkern“ anhängt. Bunker, das waren im vorigen Jahrhundert die Schutzräume aus Stahlbeton, in denen die Soldaten und Zivilisten vor feindlichen Bombenangriffen Zuflucht suchten.

Als in den 1980er Jahren das Wettrüsten in Ost und West seinen Höhepunkt erreichte, entstanden vielerorts Atomschutzbunker – sie sollten angesichts nuklearer Bedrohungen ein Gefühl der Sicherheit vermitteln, auch wenn Experten schon damals einen echten Nutzen bezweifelten. Und jetzt, so war in den letzten Wochen zu lesen und zu hören, sollen die Deutschen wieder „bunkern“? Vorräte anlegen fürs Überleben im Katastrophenfall, möglicherweise nach einem groß angelegten Terroranschlag?

Das überarbeitete „Konzept für die Zivilverteidigung“, das die Bundesregierung vor einigen Tagen vorstellte, ist – nüchtern betrachtet – eigentlich keine Sensation. Es legt einen besonderen Schwerpunkt auf die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung. Es beschreibt einen Maßnahmenkatalog für Situationen, in denen ständig verfügbares Wasser, Strom und Mobilfunknetz nicht mehr vorhanden sind, in denen man auch nicht mehr auf gut gefüllte Lebensmittelregale in ­Supermärkten vertrauen kann.

Dass die Politik ihren Bürgern auch solche unbequemen Themen zumutet, kann man ihr deshalb nicht vorwerfen. Wohl aber, dass dieses Konzept ausgerechnet in einer Zeit präsentiert wurde, die so geprägt ist von Ängsten wie seit den Ereignissen nach dem Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 nicht mehr. Tatsächlich ist den Deutschen der islamistische Terror mit den Ereignissen von München, Ansbach und Würzburg so nahe gekommen wie nie zuvor. Alarmismus hat Konjunktur in einer überreizten Gesellschaft. So sind es keinesfalls nur die üblichen Verschwörungstheoretiker, die das Gefühl einer echten, vielleicht unmittelbar bevorstehenden Bedrohung verspüren – ein Appell zum „Bunkern“ von Lebensmitteln passt in dieses Bild.

Der Zusammenbruch einer hochgerüsteten Infrastruktur aber ist in der beschleunigten Gesellschaft unvorstellbar, und von einer vernünftigen und maßvollen Vorratshaltung hatte sich die Überflussgesellschaft in 70 Friedensjahren verabschiedet – auch deshalb war das Erschrecken so groß. Von „Hamsterkäufen“ sind wir zwar noch weit entfernt. Doch die verunsicherten Menschen erwarten, dass der Staat ihre Ängste nicht noch weiter schürt. Sonst werden wieder echte Bunker gebaut. Gegen Ängste helfen aber weder Stahlbeton noch volle Vorratskammern – nur Vertrauen kann helfen. Und da ist noch viel zu tun.

Der Autor ist Redakteur des „Evangelischen Sonntagsblatts für Bayern“.

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