Der Rheinkreis und seine Volksvertretung

von Martin Schuck

Martin Schuck

von Martin Schuck

Allgemein gilt die Zeit nach dem Wiener Kongress, der in den Jahren 1815 bis 1816 nach der napoleonischen Epoche Europa neu ordnete, als Zeit der Restauration. Die Herrschaft der großen Fürstenhäuser wurde wiederhergestellt, und alles sollte so sein wie in der Zeit vor der Französischen Revolution, die durch ihre Wirren letztlich zum Untergang des alten Deutschen Reichs im Jahr 1803 führte.

Aber es gab auch andere Tendenzen: Das linksrheinische Gebiet der Pfalz, das zusammen mit dem heutigen Rheinhessen ab 1797 als Departement Donnersberg zu Frankreich gehörte, wurde 1816 unter dem Namen „Rheinkreis“ dem Königreich Bayern zugeschlagen. Der neue Landesherr, König Maximilian I. Joseph, traf eine für den Rheinkreis weitreichende Entscheidung. Er ließ alle Erneuerungen, die von den Franzosen eingeführt wurden, weiterexistieren. Dazu zählten die Abschaffung der Adelsprivilegien und die Einführung des Code Napoléon als geltendes Rechtsbuch. Dieses behielt seine Geltung bis zur Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) im Jahr 1900.

Kurz nach dem Anschluss an Bayern wurde 1817 das Bistum Speyer wiederhergestellt. Es  umfasst das gleiche linksrheinische Gebiet wie die aus der Union von Lutheranern und Reformierten 1818 entstandene Vereinigte protestantisch-evangelisch-christliche Kirche der Pfalz.

Zu den Errungenschaften der französischen Verwaltung zählte auch der 20 Mitglieder umfassende Generalrat (conseil général) des Departements Donnersberg. Dieser war im November 1800 von Napoléon Bonaparte persönlich aus dem Kreis der höchstbesteuerten Personen berufen worden und sollte den französischen Staat bei der Finanzverwaltung unterstützen. Maximilian I. Joseph verfügte am 24. September 1816 die erneute Einberufung des Generalrats und benannte ihn um in „Landrath“. Die 20 Mitglieder, die am 6. Dezember 1816 erstmals zusammentrafen, waren vom König nominiert und deshalb kein Parlament im heutigen Sinne. Dennoch waren sie frühe Volksvertreter, denn es war ihre Aufgabe, sich für das Gemeinwohl einzusetzen und für die Interessen der Pfalz gegenüber der Bayrischen Regierung einzustehen. So kümmerte sich der Landrat um die Förderung der Gemeinden und die Inf­ra­struk­tur, etwa durch den Bau von Straßen und Rheindämmen.

Bald schon begann die Gründung sozialer Einrichtungen. 1825 entstand das Taubstummeninstitut in Frankenthal, das heutige Pfalzinstitut für Hören und Kommunikation; 32 Jahre später wurde 1857 in Klingenmünster die Kreisirrenanstalt eröffnet, das heutige Pfalzklinikum für Psychiatrie und Neurologie. Der Rheinkreis war 1816 die erste Region innerhalb eines Herrschaftsgebiets, das eine Teilautonomie zugesprochen bekam. So ist es kein Zufall, dass in der Pfalz mit dem Hambacher Fest die erste demokratische Kundgebung in Deutschland stattfand.

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