Lutherdevotionalien auf peinlichem Niveau

von Friedrich Schorlemmer

Friedrich Schorlemmer

Der überlaufende Schaum auf einem Bibelwort als volkskirchlicher Knüller? Oder gar Wittenberg als Altötting der Protestanten? Devotionalien als endlich erfüllte Ökumene auf dem niedrigsten, populistisch-peinlichen Niveau? Längst ist Martin Luther zur Marke geworden. Nicht nur als ­„markiger Typ mit markigen Sprüchen“, sondern auch als farbiger ­Lutherzwerg beziehungsweise als der Renner: Luther-Playmobil; Anfang Februar bereits 400 000 Mal verkauft – mit Ersatzteil­option.

Was ist das Verramschen dessen, was uns wichtig, vielleicht gar noch heilig ist? Ein Christusfest soll gefeiert werden? Dies feiern wir doch ohnehin zu Weihnachten und zu Ostern. Ein zündender oder das Volk bewegender Gedanke ist wahrlich bisher nicht zu erkennen, so gut gemeint das alles sein mag. Die Feierei ist bisher nicht gerade gedankenreich. Jedenfalls nicht bedeutungsschwanger.

Mag sein, dass nun unsere Urenkel lernen, dass das Jubiläum von 2017 die Selbstabschaffung des Protestantismus beschleunigt hätte. So schwarz zu sehen, besteht jedoch kein Anlass, schaut man sich die redliche Bemühung an, das Jubiläum zur Selbstbesinnung zu nutzen, den Finger auf die Wunden unserer Welt zu legen und zugleich auch unser Halleluja zu singen. Das Trutzige „ein gute Wehr und Waffen“ ist uns sicher nicht erst seit Aleppo vergangen. Und der ökumenische Impuls ist bei allen Vorbereitungen erkennbar. Bei diesem Papst wäre freilich mehr möglich. Was wäre, wenn wir ihn einlüden und er käme!

Dass Verramschung im Schwange war, war schon 1996 zu Luthers 450. Todestag erkennbar. Es gibt halt neuzeitliche Traditionsströme – von den Luther-Socken über das Luther-Brot kommen wir nun auf den Bierdeckel, eine Aktion der Evangelischen Kirche in Hessen-Nassau (siehe www.bibel-auf-bierdeckel.de). Und ich finde: warum nur ein Luther-Playmobil? Wäre es nicht ein einschlagender „Hingucker“ würde ein Double in einem Luther-Mobil winkend durch unsere Städte reisen. Ein treffliches Konkurrenzgeschäft gegenüber den Prozessions-Katholiken.

Eine wackere Christin, habilitierte Medizinerin, versicherte mir, dass sie diesen unfreiwillig in ihrer Post befindlichen Bierdeckel sofort zerrissen habe. Sie hätte ihn doch bloß umdrehen brauchen und ein Lutherbier trinken können – war doch Luther ein begeisterter Biertrinker und davon überzeugt: wenn er mit seinem Freunde Philippus in Wittenberg abends sein Wittenbergisch Bier getrunken habe, dann sei doch das Evangelium von allein in die ganze Welt gelaufen.

Also: Prost, du wunderbarer Tischgeselle Martin Luther. Doch ein Bibelwort auf einem Bibeldeckel ist wohl nicht der richtige Umgang mit dem, was uns im Innersten berührt und zum Äußersten befähigt. Wenn wir das Evangelium hören und an uns heran- und in uns hineinlassen, dann ist das Wort des früheren Kirchenpräsidenten Martin Niemöller in Hessen-Nassau noch nicht ganz vergessen: „Was würde Jesus dazu sagen?“

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