Sonntagsschutz dient der Gesellschaft

von Klaus Koch

Klaus Koch

Für viele, auch gläubige Menschen ist der Sonntag und der Gottesdienst an diesem Morgen längst nicht mehr der wöchentliche Höhepunkt ihres religiösen Lebens. Auch im kirchlichen Leben ist es schon lange nicht mehr so, dass sich die Gemeinde wie selbstverständlich am Sonntagmorgen in der Kirche versammelt. Viele Gemeindemitglieder engagieren sich zu anderen Zeiten und an anderen Orten. Der Sonntag ist für viele von einem Tag der Religion zu einem Tag der Freizeit, der Ruhe oder des Vergnügens geworden. Und allem Anschein nach wird es den Kirchen auch nicht gelingen, die in den vergangenen Jahrzehnten verloren gegangene Sonntagskultur wiederzubeleben.

Und doch bleibt der Sonntag ein ganz besonderer Tag. Bei der Diskussion mit der Präses der EKD-Synode Irmgard Schwaetzer und der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer wurde deutlich, dass sich am Umgang der Gesellschaft mit dem Sonntag nicht weniger als der Zustand dieser Gesellschaft ablesen lässt. Die Kirchen beharren mit Recht darauf, dass Veranstaltungen am Sonntagmorgen nicht so früh beginnen dürfen, dass sie mit den Gottesdienstzeiten kollidieren. Doch wer sein Recht auf religiöses Leben verteidigt, muss sich auch fragen, wie es mit den religiösen Bedürfnissen seiner andersgläubigen Mitmenschen aussieht. Wie viel Rücksicht nimmt die Gesellschaft auf den gläubigen Juden am Samstag, den gläubigen Muslim am Freitag oder den im Ramadan fastenden muslimischen Arbeitnehmer?

Doch am Beispiel des Sonntags lassen sich nicht nur religiöse Fragen in einer säkularen und pluralen Gesellschaft diskutieren. Spannend ist auch der Aspekt, wie weit es eine Gesellschaft zulässt, dass Menschen vor allem nach ihrem ökonomischen Potenzial bewertet werden. Dass Ärzte, Pfleger, Polizisten, Feuerwehrleute oder Tierpfleger im Zoo sonntags arbeiten, ist unstrittig. Aber schon gegen verkaufsoffene Sonntage erheben vor allem Gewerkschaften und Kirchen berechtigten Protest. Leiser oder gar unhörbar ist dieser Protest gegen Arbeitsabläufe in großen Firmen, die ihre Maschinen an sieben Tagen und rund um die Uhr laufen lassen. Diese Form der maximalen Produktion und des maximalen Ertrags stellt schon niemand mehr infrage.

Es ist richtig, dass der Mensch mehr ist als Produzent und Konsument. Doch die entscheidende Frage ist, was dieser Satz für Konsequenzen hat. Wie können die Menschen davor geschützt werden, ständig für den wirtschaftlichen Erfolg eingesetzt und optimiert zu werden? Und auf was sind die Menschen bereit zu verzichten, um mehr zu sein als nur Humankapital? Irmgard Schwaetzer hat gesagt, es sei an der Zeit, wieder streitig über die Ziele der Gesellschaft und die Wege dorthin zu diskutieren. Der Wert des freien Sonntags ist für eine solche gesellschaftspolitische Debatte genau der richtige Ausgangspunkt.

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