Spendenaktion als Reparaturbetrieb

von Wolfgang Weissgerber

Wolfgang Weissgerber

Hunger macht krank, Hunger tötet. Fast 800 Millionen Menschen leiden an Hunger, und das ist sogar ein Erfolg: Vor 25 Jahren hungerten weltweit noch mehr als eine Milliarde Menschen auf der Erde, und damals war die Weltbevölkerung 1,5 Milliarden kleiner als heute mit rund sieben Milliarden. Völlig vergebens waren die Bemühungen jahrzehntelanger Entwicklungshilfe also nicht. Wirklich jeden satt zu bekommen, ist nach wie vor eine Aufgabe, aber die Gewichte haben sich verschoben. Die alljährliche Spendenaktion der evangelischen Hilfsorganisation „Brot für die Welt“ zeigt das deutlich.

Gesunde Ernährung ist jetzt angesagt. Der Hintergrund: Bis zum Jahr 2050 werden zwei Drittel der Menschheit in Städten leben. Kleinbauern, die 80 Prozent aller Lebensmittel produzieren, haben in Megastädten kaum Marktchancen. Den Bewohnern der Elendsquartiere bleibt nur minderwertiges Industrie-Essen. Es ist lobenswert, dass „Brot für die Welt“ nun dort ansetzt und umweltverträgliche und nachhaltige Strukturen bei der Erzeugung und dem Transport von Lebensmitteln in Entwicklungsländern etablieren will.

Aber wird das ausreichen? In der Zentralafrikanischen Republik beispielsweise geht es längst nicht um gesundes, besseres Essen, sondern nach wie vor erst einmal um die Linderung der größten Not. Rund zwei Milliarden Euro Soforthilfe hat eine internationale Konferenz dem bettelarmen Land gerade zugesagt, das rivalisierende Milizen mit Gewaltexzessen erschüttern. Eine staatliche Ordnung gibt es nicht, die UN-Mission Minusca ist überfordert. In vielen Regionen hat die internationale Truppe keinen Zutritt, Kriegsherren entscheiden dort über Leben und Tod. Hunger ist allgegenwärtig – in einem potenziell reichen Land, das Holz, Uran und Diamanten exportiert. Bei der verarmten Bevölkerung kommt davon nichts an.

Spenden für „Brot für die Welt“ sind gut angelegt. Und mehr noch: Wir in den reichen Ländern Mitteleuropas würden unmittelbar und auf Dauer von stabilen Strukturen, sicherer Lebensmittelversorgung, wachsender Wirtschaft und Frieden in Afrika profitieren. Dann blieben die Menschen nämlich dort. Stattdessen legen wir selbst die Grundlagen dafür, dass es genau dazu nicht kommt. Das sind nicht nur die bösen Folgen von Kolonialismus und Imperialismus.

Der Strom von Flüchtlingen, der aus dem Schwarzen Kontinent nach Europa drängt, ist auch der Export- und Subventionspolitik der Europäischen Union geschuldet. Deren Lebensmittelindustrien überschwemmen Afrika mit Billigprodukten. Das sind zum Beispiel Hühnerflügel – Brust und Keule sind hingegen auch hierzulande gut zu vermarkten. So wird die heimische Landwirtschaft ruiniert, und in den Slums gibt es vornehmlich Junkfood. Organisationen wie „Brot für die Welt“ mühen sich ab, die Folgen europäischer Politik zu mildern.

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