Der Weg zur heilen Welt ist nicht einfach

von Stefan Mendling

Stefan Mendling

Die Erwartungen im Advent sind groß: Kinder können es kaum erwarten, dass endlich das Glöckchen klingelt und sie die Geschenke auspacken können, die das Christkind für sie gebracht hat. Erwachsene freuen sich auf das gute Essen und die paar freien Tage. Und selbst wer keinen Urlaub hat, spürt, dass es an Weihnachten entspannter zugeht als sonst. Ein bisschen heile Welt; darauf wartet man im Advent. Aber wartet noch einer auf das Kind, das an Weihnachten geboren wird? In der Bibel warten alle auf einen Heiland, einen Heilsbringer, einen Helden, der Israel befreit und den politischen Feind niederringt, also die Römer nach Hause schickt und aus der besetzten Provinz wieder einen stolzen, freien Staat macht. Diese Erwartungen wurden enttäuscht. Die große politische Wende kam nicht.

Allenfalls im Kleinen wurde erfüllt, was man erhofft hatte: Ein paar römische Soldaten haben etwas von der Größe Gottes gespürt, ein paar Menschen haben sich durch Gottes Liebe aus ihren Abhängigkeiten befreit; kurze Zeit hat man Jesus als König zugejubelt, für einen Moment dachte man: Die heile Welt ist da! Doch spürbar war sie nur im Kleinen. Vielleicht auch in der Idylle zwischen Ochs und Esel im Stall. Doch kurz darauf wurden in Bethlehem alle Säuglinge ermordet, sodass Maria und Josef mit dem Neugeborenen Flüchtlinge wurden. Alle erwarteten mit Jesu Geburt die heile Welt – doch sie kam nicht. Zumindest nicht im großen Stil.

Heute warten wir nicht mehr auf das kleine Kind – denn das ist längst zur Welt gekommen und hat erfüllt, was Gott ihm aufgetragen hat. Aber wer sorgt denn jetzt für eine heile Welt? Eine neue Welle populistischer Politiker verspricht, mit einfachen Lösungen, kompromisslos und unbeirrbar für die heile Welt zu sorgen. Egal ob in den USA oder in Deutschland: Wenn Politiker etwas versprechen, was nicht einmal die Geburt von Jesus Christus leisten konnte, dann stimmt etwas nicht. Selbst Gott hat nie versprochen: „Mit der Geburt von Jesus wird alles sofort gut!“ Klar ist: Die Welt braucht Jesus und die Liebe, die von ihm ausgeht. Aber „meine Wege sind nicht eure Wege“, sagt Gott, wenn es darum geht, wie die heile Welt zu uns kommt. Weihnachten war nur der Anfang, das Fundament für einen Weg zu einem friedlichen Miteinander. Die Idylle von der Geburt im Stall ist nur der Beginn eines Weges, der über Flucht und Leid zum Kreuz führt. Schon Jesus spürt am eigenen Leib: Der Weg zur heilen Welt ist nicht einfach.

Das bisschen heile Welt, das Weihnachten in unseren Alltag bringt, ist ein Vorgeschmack auf die heile Welt, die Christus bei seiner Wiederkunft mitbringt. Advent heißt: Darauf warten, dass Jesus wiederkommt – und den Weg weitergehen, der in Bethlehem begonnen hat – ohne sich von falschen Versprechungen oder falschen Propheten ablenken zu lassen. Worauf warten wir noch?

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