Rattenfänger in der globalisierten Welt

von Wolfgang Weissgerber

Wolfgang Weissgerber

Allan Lichtman macht vielen Menschen Hoffnung in ihrer Verzweiflung über Donald Trump. Der Geschichtsprofessor aus Washington ist überzeugt, dass der irrlichternde US-Präsident schon bald aus dem Amt entfernt wird – durch ein sogenanntes Im­peach­ment-Verfahren. Lichtman hat immerhin seit 1984 den Ausgang jeder Präsidentschaftswahl zutreffend vorhergesagt, sehr früh auch den Wahlsieg Trumps. Schön wär’s ja, wenn er auch jetzt richtig läge.

Es wäre ein Novum in der Geschichte der USA. Erst zwei solcher Verfahren gab es überhaupt, 1868 gegen Andrew Johnson und 1999 gegen Bill Clinton, beide scheiterten. Richard Nixon kam 1974 dem Impeachment durch Rücktritt zuvor. Argumente für die Amtsenthebung liefert Trump fast täglich. Die Verfassung und die Wahrheit scheren ihn wenig, schon im Wahlkampf haben sie der Milliardär und sein Team gebrochen – etwa durch verbotene Kontakte zu russischen Stellen, die sie auch noch abstritten. Trump ist das Paradebeispiel eines Populisten. Er zieht Menschen mit einfachen Erklärungen und Lösungen in seinen Bann. Zu viele Fremde? Eine Mauer. Zu viele Importe? Zölle und Handelsschranken. Unbequeme Wahrheiten? Die Presse lügt.

Viele Menschen sind zutiefst verunsichert in einer globalisierten Welt, in der nichts bleibt, wie es einmal war. In einer Welt, die ihnen immer komplizierter und undurchschaubarer erscheint, trotz oder gerade wegen der unfassbar großen Menge an Informationen, die heutzutage jedermann zugänglich sind. Überall lauert Gefahr. Das ist die Stunde der Rattenfänger. Sie sagen, wo es langgeht.

Rattenfänger gab es schon immer und überall. Doch fast immer folgte ihrem kometenhaften Aufstieg ein ebenso steiler Absturz. Wer erinnert sich noch an Franz Schönhuber und seine „Republikaner“? Rechtspopulistisch, zeitweise rechtsextrem, hatte die Partei bei Landtagswahlen einst bis zu 7,5 Prozent errungen. Heute ist sie nur noch in Gemeinderäten vertreten. Und wer redet noch von Ronald Schill? Seine „Partei Rechtsstaatlicher Offensive“, die zeitweilig Hamburg mitregierte, existierte ganze sieben Jahre lang. Der einstige „Richter Gnadenlos“ und spätere Innensenator lebt heute in Brasilien, macht durch halbseidene Fernsehshows und mutmaßlichen Kokainkonsum von sich reden. Oder die Deutsche Volksunion DVU, die es neunmal in Landesparlamente schaffte. Ebenfalls stramm rechts, ist sie inzwischen in der NPD aufgegangen.

Inzwischen wird die NPD bei Wahlen regelmäßig marginalisiert, womöglich eine Folge des Aufstiegs der AfD. Aber es mehren sich die Zeichen, dass die AfD einen ähnlichen Weg vor sich hat. Ihre Umfragewerte sind im Keller, die parlamentarische Arbeit ist kräftezehrend, nicht alle Mandatsträger sind ihr gewachsen.

Ob sie es im September tatsächlich in den Bundestag schafft, wovon bis vor Kurzem noch auszugehen war?

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