Ein hilfsbereiter Winzer und zwei dreiste Glockendiebe

Jahre hat die katholische Gemeinde Mußbach für einen Glockenturm gesammelt – Kurz vor Baubeginn war das Bronzegeläut plötzlich weg

Erleichtert: Otto Fürst mit einer der beiden wiedergefundenen Bronzeglocken. Foto: LM

Erst hatte die katholische Kirchengemeinde des Neustadter Ortsteils Mußbach Glocken, aber keinen Glockenturm. Als sie endlich genügend Geld hatte, um einen Turm zu bauen, waren plötzlich die Glocken weg. Und das auch noch mit unfreiwilliger Hilfe eines Protestanten. Inzwischen hat sich die Aufregung gelegt. Die beiden Bronzeglocken sind wieder aufgetaucht, ab September sollen sie erklingen.

Früher war Mußbach ein protestantischer Ort. Die wenigen Katholiken feierten ihre Gottesdienste im Chorraum der simultan genutzten alten Johanneskirche aus dem 14. Jahrhundert. Doch Mußbach ist ein aufstrebendes Weindorf. Immer mehr Katholiken zogen zu. Der Wunsch nach einer eigenen Kirche kam auf. 1959 wurde eine große Rundkirche mitsamt einem imposanten Glockenturm eingeweiht. Doch leider war der, wie viele Bauten dieser Zeit, aus Beton. Dieser bröckelte, und 2004 musste er wegen Einsturzgefahr abgetragen werden. Zwei ziemlich scheppernde Stahlglocken und zwei wohlklingende Bronzeglocken waren heimatlos.

Doch die Ökumene funktioniert in Mußbach. Die Protestanten läuten seither für die Katholiken mit. Es wurde sogar ein Papier verfasst, in dem festgelegt wurde, dass die katholischen Bronzeglocken in den protestantischen Turm gehängt werden können und fortan ein ökumenisches Geläut erklingen solle. Für den Unterhalt des protestantischen Turms wären beide Gemeinden aufgekommen. Doch der turmlose Zustand nagte am Gemüt vieler Katholiken. Zumal ihre Rundkirche ohne Turm, und vor allem ohne Kreuz darauf, doch frappierend an eine Moschee erinnert.

Also beschlossen sie unter Führung des rührigen zweiten Vorsitzenden des Verwaltungsrats, Otto Fürst, einen Verein zu gründen, der für einen neuen Turm sammelt. Mit Erfolg. In diesem Mai sollte mit dem Bau begonnen werden. Die beiden Bronzeglocken lagerten derweil gemeinsam mit denen aus Stahl zunächst im Garten des katholischen Pfarrhauses, nach dessen Verkauf an der Kirche, just an dem Platz, an dem der neue Turm entstehen soll. Sie waren von der Straße aus zwar nicht zu sehen, aber doch frei zugänglich. Das sollte sich rächen. Vor einigen Tagen fuhren zwei Männer am helllichten Tage mit einem Pritschenwagen mit Kran vor, um die Glocken aufzuladen. Doch der Kran war zu schwach. Also zogen die beiden Männer durch den Ort, um sich einen Gabelstapler zu leihen. Nach mehreren Absagen wurden sie fündig. Ein Winzer erklärte sich bereit zu helfen. Der junge Mann aus protestantischem Hause vermutete, dass die Glocken weggebracht würden, um sie vor dem beginnenden Turmbau zu reinigen. Also fuhr er mit seinem Stapler zur katholischen Kirche und lud die beiden Bronzeglocken, Materialwert etwa 10 000 Euro, auf. Beobachtet wurden die drei Männer von Nachbarn und Arbeitern einer nahen Baustelle. Sie blieben arglos, war doch ein ortsbekannter Winzer dabei.

Der war am Boden zerstört, als ihm die Polizei kurz später offenbarte, dass er nicht den Katholiken, sondern Dieben geholfen hatte. Die Anteilnahme der Mußbacher galt gleichermaßen der katholischen Gemeinde wie dem hilfsbereiten Winzer. Kaum jemand im Ort machte sich Hoffnung, dass die Glocken wieder auftauchen. „Die sind längst eingeschmolzen“, war allenthalben zu hören. Einige Katholiken fanden das gar nicht so schlecht, könnte mit den knapp 100 000 Euro für den Turm doch auch etwas anderes gemacht werden. Auch mancher Anwohner war wohl nicht traurig, dass so schnell mit Glockengeläut nicht mehr zu rechnen war. Die Mehrheit der Katholiken hielt allerdings am Turmplan fest. Schließlich hätten viele Menschen gerade für den Turm gespendet, das Geld könne nun nicht einem anderen Zweck dienen, sagt Fürst.

Doch diese Debatten sind nun hinfällig. Dank zahlreicher Hinweise, nicht zuletzt von dem hilfsbereiten protestantischen Winzer, hat die Polizei die Glocken wieder gefunden und die Diebe geschnappt. „Es bleibt beim alten Zeitplan“, sagt Fürst erleichtert. Ende Juli soll der Turm stehen, im September sollen die Glocken läuten. Und Fürst beruhigt auch die Anwohner. Der Läuteplan sehe vor, dass nur sonntags und donnerstags vor der Messe, bei Todesfällen sowie mittags und abends zum Angelusgebet geläutet werde. Morgens bleiben die Glocken, die derzeit gut verwahrt in einer Halle liegen, stumm. Allerdings sollen es mehr werden. „Wir sammeln weiter“, sagt Fürst. Der Glockenträger aus Stahl soll nämlich Platz für drei Glocken haben. Und er wird ein Kreuz auf der Spitze tragen. Klaus Koch

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