Die Ökumene ins Visier genommen

Bistum und Landeskirche betonen gemeinsame Ziele für die Pfalz – Abschluss des Kirchentags in Speyer

Der Ökumene-Leitfaden geht in alle Regionen der Pfalz: Die Dekane von Bistum und Landeskirche nehmen ihn entgegen. Foto: Landry

Musikalischer Haupt-Act beim Jugendfestival: Cris Cosmo und Band. Foto: Landry

Anziehungspunkt für viele Kirchentagsbesucher: Die Kirchenmeile zwischen Hauptbühne am Altpörtel und dem Dom. Foto: Landry

Laden Christa Seel (links) zum Beutelspiel ein: David Gippner und Melanie Müller. Foto: Landry

Einmalig in Deutschland: Zum ersten Mal haben ein katholisches Bistum und eine evangelische Landeskirche einen gemeinsamen Leitfaden zur Ökumene erstellt. Er wurde zum Abschluss des ökumenischen Pfälzer Kirchentags am Pfingstsonntag von dem Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann und dem pfälzischen Kirchenpräsidenten Christian Schad unterzeichnet. Zuvor hatten 22 000 Christen in Speyer zwei Tage lang fröhlich sich, ihre Kirchen und ihren Glauben gefeiert.

Für die Besucher standen fast 200 Angebote bereit: Gottesdienste, Kurzpredigten, Musik, Tanz, Theater, Jugendprogramm und Diskussionen. Auf der Kirchenmeile in der Speyerer Innenstadt stellten auch karitative und diakonische Einrichtungen sowie andere kirchliche Dienste ihre Arbeit vor. Das Gemeinschaftserlebnis dieser beiden Tage könne zur Kraftquelle für die Ökumene vor Ort werden, sagte Kirchenpräsident Schad beim Abschlussgottesdienst mit mehr als 4000 Besuchern im Speyerer Domgarten.

„Der Weg unserer Kirchen in die Zukunft muss durch und durch ökumenisch geprägt sein. Nur so können wir als Christen in unserer Welt glaubwürdig bleiben“, sagte Bischof Wiesemann. Der Ökumenische Kirchentag habe geholfen, Verständnisschwierigkeiten zwischen den beteiligten Konfessionen und zwischen kirchlich Engagierten und eher Fernstehenden zu beheben.

In dem Leitfaden verpflichten sich Bistum und Landeskirche, auf ein gemeinsames Abendmahl hinzuarbeiten. Es bleibe das große Ziel, dass die Christen an einem Tisch Eucharistie feiern können, sagte der katholische Domkapitular Franz Vogelgesang. Insgesamt soll der Leitfaden die Zusammenarbeit zwischen protestantischen und katholischen Gemeinden verbindlich regeln und fördern.

Anlass für den Leitfaden waren nach den Worten des protestantischen Oberkirchenrats Manfred Sutter strukturelle Veränderungen im Bistum und in der Landeskirche. Das Bistum wird in 70 Großpfarreien eingeteilt, in der pfälzischen Landeskirche sollen benachbarte Gemeinden Kooperationszonen bilden. Dadurch seien die Zuschnitte der katholischen und protestantischen Gemeinden nicht mehr deckungsgleich. Die Kirchenleitungen wollten mit dem Leitfaden sicherstellen, dass die ökumenische Zusammenarbeit dennoch gesichert und ausgebaut werde. Klaus Koch

Mitsprache auf politischer Ebene erwünscht

Jugendfestival bietet Besuchern zahlreiche Attraktionen – Kreative und sportliche Angebote gut besucht

Hunderte Jugendliche tummeln sich in erwartungsvoller Vorfreude beim „stand up!“ – dem Jugendfestival auf dem Kirchentag im Domgarten. Gitarrenriffs tönen durch die Lautsprecher, die überall auf dem Platz aufgebaut sind: Erste Kostproben beim Soundcheck der Bands, die später auf der Bühne auftreten werden. Darunter neben zahlreichen jungen Bands aus der Region auch die deutschlandweit bekannte Band um Cris Cosmo, die als Schluss-Act die Festivalbühne zum Beben bringt.

Florian Geith, Landesjugendpfarrer der evangelischen Landeskirche und sein Kollege Carsten Leinhäuser, Diözesanjugendseelsorger und Präses des Bunds der deutschen katholischen Jugend (BDKJ), muntern bei der Eröffnung des Festivals die jungen Leute dazu auf, für ihre eigenen Ideen und Vorstellungen offen einzustehen. „Jugendliche sollen keine Marionetten sein, sondern aufstehen und etwas in der Welt bewegen“, sagt Leinhäuser. „Bewegt euch, und macht mit“, motiviert Geith das junge Publikum.

Einige Meter weiter geht es sportlich zur Sache. Auf einer Teststrecke fliegen meterweit Gummihühner durch die Luft, das Ergebnis einer neuen Trendsportart bekannt unter dem Namen „Gummihuhngolf“. Zahlreiche Mädchen toben sich beim Basteln von Ohrringen, Armreifen und Ringen oder dem Bedrucken von Baumwolltaschen aus. Auf der anderen Seite des Doms geht es politisch zu. Die Ehrenamtlichen der katholischen und evangelischen Jugend sind unterwegs und wollen wissen, was die jungen Menschen bewegt. Statements der Teilnehmer werden in Wort und Bild festgehalten und auf einer großen Pappsäule gesammelt.

Die Forderung, mehr Einfluss auf politischer Ebene zu haben, ist beim Talk mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer auf der „stand up!“-Bühne ein großes Thema. Dort diskutieren Ehrenamtliche beider kirchlicher Jugendverbände mit Dreyer über das Engagement in der Gesellschaft. Die jungen Ehrenamtlichen wünschen sich mehr Mitbestimmungsrecht in politischen Fragen, zum Beispiel durch die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Dreyer verspricht, dieses Thema im Gespräch zu halten. scs

Kleine Gewinne und offene Fragen

Bunte Vielfalt auf der Kirchenmeile des Kirchentags – 120 Stände zwischen Dom und Gedächtniskirche

Günther Andreas sitzt stocksteif und regungslos auf einem Karton. Und das hat einen einfachen Grund: Auf seinem Kopf liegt ein Gesangbuch, das er zehn Sekunden lang balancieren muss, ohne dass es herunterfällt. Noch einen kurzen Moment … geschafft. Der Mann aus Pirmasens darf nun zwei Sitzplätze nach vorne rücken. Die Aufgabe ist Teil eines ökumenischen Würfelspiels am Stand des katholischen und evangelischen Dekanats Pirmasens, bei dem zwei Kandidaten gegeneinander antreten. Sie müssen abwechselnd Fragen aus dem Dunstkreis der katholischen und evangelischen Kirche beantworten oder originelle Aufgaben erfüllen. Dem Gewinner winkt ein kleines Präsent.

Der Stand der Südwestpfälzer war einer von rund 120 auf der Kirchenmeile des Ökumenischen Kirchentags am Pfingstwochenende in Speyer. Bei frühlingshaften Temperaturen präsentierten sich zwischen Dom und Gedächtniskirche katholische, evangelische und ökumenische Verbände, Gruppen, Initiativen und Einrichtungen. Dabei waren unter anderem die Bereiche Soziales, Caritas und Diakonie, Dekanate und Gemeinden, Diözese Speyer und Evangelische Kirche der Pfalz sowie Bildung und Kultur vertreten.

„Bei uns können die Besucher auf Postkarten bewerten, was es an ihrem Wohnort an Infrastruktur wie Arztpraxen oder Busverbindung gibt“, erzählt Michael Gerst am Stand des Diözesan-Caritasverbandes vor dem Bischofshaus. Die Caritas bietet die Aktion vor dem Hintergrund des Caritas-Jahresthemas Demografie an. Die Auswertung soll auf der Internetseite des Deutschen Caritasverbandes veröffentlicht werden. Die Teilnehmer haben die Chance, eines von mehreren Hörbüchern zu gewinnen.

„Wollen Sie uns einen Schatz in Ihrem Leben aufschreiben?“, ruft Horst Roos, Diakon für Altenarbeit im protestantischen Dekanat Frankenthal, einer Passantin zu. Roos und seine katholische Mitstreiterin, die Gemeindereferentin Barbara Sedlmaier aus Bobenheim-Roxheim, haben an ihrem Stand der Ökumenischen Altenarbeit Zettel vorbereitet, auf denen kleine Schatzkisten abgebildet sind, die darauf warten, mit „Schätzen“ gefüllt und an eine kleine Wand gepinnt zu werden. Auf den farbigen Blättern stehen Begriffe wie „mein Hund“, „Bücher“, „Wertschätzung“ oder „Familie“. „Wir möchten die Besucher mit unserer Aktion zum Nachdenken anregen“, erläutert Horst Roos. „Denn je älter die Menschen werden, desto mehr an Erfahrungen sammeln sich in ihrem Leben an.“

Einige Meter weiter präsentiert „Trampolin“, das Netzwerk zur Überwindung von Armut und Ausgrenzung in Bad Bergzabern, sich und seine Arbeit. In dem Projekt des protestantischen Dekanats der Kurstadt haben sich verschiedene soziale Träger zusammengeschlossen, um effizienter zu arbeiten und die Hilfsangebote sichtbarer zu machen. „Unser Schwerpunkt ist derzeit die Flüchtlingsarbeit“, betont Rainer Brunck, Seniorenreferent im evangelischen Kirchenbezirk Bad Bergzabern und Leiter des „Hauses der Familie“.

Bei den Besuchern des Kirchentags möchte „Trampolin“ ein Bewusstsein schaffen, warum Menschen flüchten – und zwar mittels eines Pech- und Glücksrades. Beim Drehen kann der Griff bei Aussagen wie „In deinem Land herrscht Bürgerkrieg – Pech“ genauso stehen bleiben wie bei Sätzen wie „Deine Eltern haben Geld für PC, Internet, Urlaub – Glück“. Gleich nebenan haben Interessierte Gelegenheit, gegen eine Spende für die gemeindenahe Diakonie Klamotten von einem Kleiderständer auszusuchen.

Gudrun Schäfer aus Rieschweiler gefällt das Angebot auf dem Ökumenischen Kirchentag. Die 72-Jährige ist mit 50 weiteren evangelischen und katholischen Männern aus der Südwestpfalz angereist. Gerade hat sich die Protestantin das Kirchenkabarett angeschaut. Nun schlendert sie mit fünf weiteren Frauen über die Kirchenmeile, bevor es für ein kleines Päuschen ins Café geht. Eva-Maria Hott aus Landau möchte sich von den Angeboten inspirieren lassen. Die 50-jährige Katholikin, deren Ehemann der evangelischen Kirche angehört, erhofft sich aber auch Antworten auf die offene Frage der konfessionsverbindenden Ehe, besonders zu Eucharistie und Abendmahl. Jetzt aber freut sie sich erst einmal auf die Kirchenmeile in Speyer. Petra Derst

Besucherwünsche an die Ökumene erfragt

„Gottes Bodenpersonal in Ausbildung“ erweist sich als Sympathieträger in Gesprächen mit den Passanten

Auch Nachwuchstheologen der Landeskirche und des Bistums haben sich am Ökumenischen Kirchentag beteiligt. Auf der Kirchenmeile gaben sie am Stand mit dem Zeltaufdruck „Menschenfischer! – Wie bischd’n do druff kumme?“ Auskunft, warum sie Pfarrerinnen und Pfarrer, Priester, Diakone, Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten werden wollen.

Gottes Bodenpersonal in Ausbildung mischte sich in katholisch-protestantischen Duos auch unter die Passanten. Die Vikarinnen und Vikare trugen lila Shirts, die angehenden Pastoralreferentinnen und -referenten, Diakone und Priester gelbe Shirts. Sie schulterten einen großen schwarzen Beutel mit katholischen, protestantischen und ökumenischen Gegenständen, darunter Lutherrose, Weihwasserspritzer, Kollarkragen, Beffchen und Kreuz.

Die Duos sprachen Passanten an, stellten sich vor, luden sie zum Beutelspiel ein und fragten, was sie sich von der Ökumene wünschen. Als Vikar David Gippner und Melanie Müller, die Pastoralreferentin werden will, eine Dame mittleren Alters ansprachen, tat diese gern ein Griff in den Beutel und zog zu ihrem Erstaunen das Neue Testament auf Griechisch heraus. Auf Gippners Frage, ob der Gegenstand ein katholischer oder evangelischer sei, gab Gudrun Herzer aus Kaiserslautern die richtige Antwort: „Nun, der ist ja für beide Konfessionen gültig.“ Auf die Frage des Duos, was sie sich von der Ökumene wünsche, musste die Pfarrerin nicht lange überlegen: „Das gemeinsame Abendmahl!“ Auch Vikarin Frauke Fischer und Mareike Jauß, Anwärterin zur Pastoralreferentin, machten als Menschenfischerinnen illustre Fänge. So bekannte der evangelische Jurist Juhani Korn aus Berlin, er gehe eigentlich nur über die Kirchenmeile, weil er die Ökumene wichtig finde.

Rund 80 Wünsche schrieben die Duos auf Zettel, die sie an ihrem Stand aushängten. Dort war unter anderem zu lesen: „Einheit bei je eigenem Profil – Gemeinschaft entwickeln“, „Raum schaffen für das Wirken des Heiligen Geistes“, „Priestertum für Frauen“, „Jesus in die Mitte stellen“, „Das Gemeinsame sehen“ und „Strukturen verändern“. dob

Ein Signal für Flüchtlinge setzen

Die Kirchen in der Pfalz und der Saarpfalz wollen sich weiterhin gemeinsam für die Flüchtlinge in den Städten und Gemeinden engagieren. Die Flüchtlingsarbeit sei eine Chance für die Kirchen, zusammenzuarbeiten, um wirklich helfen zu können, sagte Pastor Jochen Wagner, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) der Region Südwest, auf dem Ökumenischen Kirchentag in Speyer. Darüber hinaus forderte Kirchenpräsident Christian Schad den Staat auf, die Asylverfahren zu erleichtern und zu beschleunigen. Nur so könne den Betroffenen eine unerträglich lange Zeit der Unsicherheit erspart bleiben.

Er besuche regelmäßig Asylbewerberheime, um sich vor Ort über die Situation der Menschen zu informieren, sagte Schad. Nach dem Brandanschlag auf ein entstehendes Asylbewerberheim in Limburgerhof müssten die Kirchen erst recht für Flüchtlinge Flagge zeigen. Schad forderte die Kirchengemeinden der pfälzischen Landeskirche auf, nach geeigneten Gebäuden zu suchen und sie für Flüchtlinge zu öffnen.

Die Kirchen müssten zusammenstehen, um ein deutliches Signal für eine Willkommenskultur in Deutschland zu setzen, ergänzte der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann. Er bitte die Pfarreien vor Ort zu schauen, wo den Menschen konkret geholfen werden könne. Die Menschen, die oft unsagbar viel Leid ertragen hätten, müssten über das Bereitstellen von Wohnraum hinaus betreut und begleitet werden. Speyers Oberbürgermeister Hansjörg Eger (CDU) dankte den Kirchen für ihren Einsatz in der Flüchtlingsarbeit. Der Staat könne diese Herausforderung nicht alleine bewältigen. Dazu seien auch Menschen nötig, die die Willkommenskultur konkret lebten. epd

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