Ein Leben zwischen Seelsorge und Alpenidylle

Pfälzer Pfarrer berichten über ihre Arbeit in der Schweiz – Von Verwaltungsaufgaben befreit – Die eigentlichen Aufgaben stehen im Zentrum

Sakrales Kleinod vor Bergkulisse: Die reformierte Kirche Visp. Foto: wiki/CC BY-SA 3.0

Tillmann Luther (links) und Daniel Kiefer.

Die Schweiz: Heimat der Eidgenossen, der Neutralität und des wohl berühmtesten Taschenmessers der Welt. Bei vielen deutschen Arbeitnehmern gilt die Alpenrepublik als Auswanderungsziel Nummer eins. 300 000 Deutsche leben und arbeiten heute in der Schweiz. Und es sind nicht nur Ärzte, Lehrer, Ingenieure und andere Fachkräfte, die sich in dem kleinen inner­europäischen Staat ansiedeln. Die Schweiz ist auch bei deutschen Pfarrern überaus beliebt. Die beiden in der pfälzischen Landeskirche ausgebildeten Pfarrer Tillmann Luther und Daniel Kiefer haben sich auf das Abenteuer Alpenrepublik eingelassen.

Ein Flüstern war es, das Tillmann Luther dazu brachte, über eine Pfarrstelle in der Schweiz nachzudenken. „Visp“, raunte ihm der ehemalige Oberkirchenrat Robert Hensel nach einem Gottesdienst ins Ohr, „dort wird eine Stelle frei“. Luther, der vor seinem Umzug in die Schweiz in der pfälzischen Kirchengemeinde Freckenfeld im Dekanat Bad Bergzabern eine Pfarrstelle bekleidete, war zu diesem Zeitpunkt eigentlich sehr glücklich mit sei­ner damaligen Arbeitsstelle. „Aber ich wollte auch schon immer mal im Ausland arbeiten“, begründet Luther seine Entscheidung, sich auf die Pfarrstelle im Südschweizer Kanton Wallis zu bewerben.

Mit einer Probepredigt konnte der Pfarrer seine neue Gemeinde überzeugen. Im Jahr 2001 wagte er schließlich mitsamt seiner Frau Annette und dem heute 24-jährigen Sohn Johannes den Umzug in eine neue berufliche Zukunft. Zunächst war seine Stelle nur auf zwei Jahre befristet. Danach musste er in seinem Amt bestätigt werden. Mittlerweile ist Luther seit 14 Jahren in der Alpenrepublik tätig. Die rund 7000 Einwohner starke Gemeinde Visp ist der pfälzischen Familie zur Heimat geworden. So sehr, dass sie nun im 15. Jahr ihrer Auswanderung beschlossen haben, sich in der Schweiz einbürgern zu lassen. Insbesondere, um sich an den Abstimmungen beteiligen zu können. „Es ist uns wichtig, mitentscheiden zu dürfen“, sagt der Theologe.

Doch die Pfalz hat Tillmann Luther nie vergessen. Manchmal vermisse er seine alte Heimat: „Die langen Spaziergänge im Pfälzerwald und in den Weinbergen fehlen mir schon ab und an“, gibt er zu. Daher ist er immer wieder gerne in der Pfalz zu Gast, denn ein Großteil seiner Familie lebt noch dort. Aber auch in Visp ist er von einigen Landsmännern umgeben. „Mir geht immer das Herz auf, wenn ich mich mit einem Mitpfälzer im muttersprachlichen Dialekt unterhalten kann“, sagt der 54-Jährige. Dann freue er sich über Ausdrücke wie „die Beer is g’schelt“ und lasse mit Saumagen und gutem Pfälzer Wein die alte Heimat hochleben.

Mit offenen Armen sei er damals von seinen neuen Gemein­de­mit­gliedern empfangen worden. Zu Beginn seiner Tätigkeit haperte es ledig­lich etwas mit dem schweizerischen Dialekt. „Bei meinem ersten Seelsorgefall bekam ich dann aber gleich einen Crashkurs, das hat geholfen“, erinnert sich Luther. Die Hochsprache dominiere zwar, doch sei es gerade im persönlichen Gespräch wichtig, den Dialekt zu verstehen.

Gewöhnen musste sich Luther auch zunächst an die sehr direkte, aber durchaus konstruk­tive Kritik aus den Reihen seiner Kirchengemeinde. „Gleich zu Beginn haben mich einige Gottesdienstbesucher darauf aufmerksam gemacht, dass ich während der Predigt zu sehr vom Blatt ablese, und das gefiel den Gemeindemitgliedern ganz und gar nicht“, berichtet er. Anfangs habe ihn das sehr getroffen, dann musste er allerdings feststellen, dass sie recht hatten und feilte daraufhin an seiner Rhetorik. Die kritischen Einwände hätten ihn vorangebracht, jetzt predige er viel freier.

Auch Daniel Kiefer und seine junge Familie mussten sich in ihrer neuen Gemeinde in Wittenbach bei Sankt Gallen erst einmal neu einfinden. Für den 29-Jährigen ist es nach dem in der Pfalz abgeschlossenen Vikariat die erste Pfarrstelle. Der Wunsch, sich seine erste Gemeinde selbst aussuchen zu können, brachte ihn dazu, sein Glück in der Schweiz zu versuchen. Zudem habe ihn die Aussicht fasziniert, sich als Pfarrer in der Schweiz besser auf die wesent­lichen pfarramtlichen Aufgaben konzentrieren zu können.

Seit dem 1. Juli ist Daniel Kiefer nun in der Wittenbacher Kirchengemeinde tätig und fühlt sich dort schon sehr heimisch. Seine beiden ältesten Kinder, die fünfjährige Naemi und der dreijährige Silas, hätten in der 9500 Einwohner umfassenden Gemeinde bereits Anschluss gefunden. Joel, das mit einem Jahr jüngste Familienmitglied, scheine ebenfalls zufrieden mit der neuen Umgebung zu sein. Seine Frau Theresa, Sozialarbeiterin von Beruf, fühle sich wohl, auch wenn sie das Heimweh öfter packe als ihren Mann. „Wir genießen vor allem auch die schö­ne, abwechslungsreiche Landschaft“, sagt Kiefer. In 15 Minuten Fahrzeit sei der Bodensee zu erreichen, in 30 Minuten die Appenzeller Alpen.

Die Glaubensgrundsätze der schweizerischen Protestanten im Kanton Sankt Gallen unterscheiden sich nach Einschätzung Kiefers nicht wesentlich von den pfälzischen. Sie würden nur etwas anders praktiziert. Das Abendmahl feierten Schweizer Protestanten beispielsweise viel seltener. Außerdem könne der Gottesdienst deutlich freier gestaltet werden als in Deutschland. „Es gibt zwar eine Agende, die dem Pfarrer ein Gerüst an die Hand gibt, doch in praktischer Hinsicht ist der Gottesdienst quasi von der Liturgie befreit“, berichtet der junge Theologe.

Die Arbeit in der Gemeinde empfindet Daniel Kiefer als äußerst angenehm. „Wir sind ein tolles Team, und das Engagement der Gemeindemitglieder ist vorbildlich“, sagt er. Seine Entscheidung, in der Schweiz als Pfarrer zu arbeiten, hat er nicht bereut. „Hier kann ich viel mehr Menschen besuchen und seelsorgerisch betreuen sowie Predigten und Vorträge intensiver vorbereiten“, berichtet er. Es sei schön, von den ganzen Verwaltungsaufgaben befreit zu sein und mehr Zeit dafür zu haben, was er sich eigentlich unter den Aufgaben eines Pfarrers vorstellt. Charlotte Lisador

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