Tipps und Tricks in Sachen Schwangerschaft und Geburt

Hebammensprechstunde für schwangere Flüchtlingsfrauen in der Elternschule Speyer etabliert – Soll Ängste nehmen und Vertrauen schaffen

Lehrhebamme Mareike Kast (links) überprüft die Arbeit ihrer Schülerin im zweiten Ausbildungsjahr: Kim Nieland hört gewissenhaft Abrehats Bauch ab. Foto: Korovai

Pünktlich um 16 Uhr machen es sich Hebammen, Schülerinnen, zwei Übersetzerinnen und drei Schwangere auf Kissen im Kursraum der Elternschule der Diakonissen Speyer-Mannheim gemütlich. In der Mitte stehen Tee, Obst und Wasser. Heute soll es um die Anmeldung zur Geburt gehen. „Es ist gut angelaufen“, sagt Hebamme Kerstin Cramer einen Monat nach Eröffnung der Hebammensprechstunde für Flüchtlingsfrauen. Vier Schwangere aus Speyer und Umgebung haben das neue Angebot aufgegriffen. Zwei von ihnen warten stündlich auf die Geburt.

Heute sind drei werdende Mütter da. Mit Maylinda aus Albanien, Abrehat aus Eritrea und Fatima aus Afghanistan wollen die professionellen Hebammen und zwei Schülerinnen später den Kreißsaal im Diakonissen-Stiftungs-Krankenhaus besichtigen. „Vorher füllen wir die Geburtsanmeldung aus“, kündigt Lehrhebamme Mareike Kast an. „Sind nur Frauen bei der Geburt dabei?“, fragt Fatima. Ihr zweites Kind soll in den nächsten Tagen zur Welt kommen. „Es kann sein, dass auch ein Mann da ist, ein Arzt“, bemerkt Cramer und versichert: „Auf jeden Fall ist Johanna dabei.“ Emik Ohannes übersetzt ihre Worte von Deutsch auf Farsi. „Ich freue mich schon“, sagt Johanna Eitzenberger, eine der angehenden Hebammen. Für sie sei es die erste Geburt, an der sie aktiv teilnehme.

Kast empfiehlt Maylinda, die unter Schlafproblemen leidet, Baldriantee. „Der beruhigt und lässt dich gut schlafen“, sagt die Lehrhebamme. Vor der Tür wartet der werdende Vater. Bei der Kreißsaalbesichtigung will er unbedingt dabei sein. „Dein Baby ist gewachsen“, sagt Hebammenschülerin Kim Nieland und betrachtet wohlwollend den Bauch von Abrehat. Die Geburt ihres ersten Kindes steht in drei Monaten an. Abrehats Deutschkenntnisse sind schon richtig gut. „Mein Mann kommt auf jeden Fall mit zur Entbindung“, ist Abrehat überzeugt. „Er muss.“

„Sie sagt, sie war noch nie krank“, übersetzt Ohannes. Cramer hat Fatima zuvor nach Allergien gefragt. „Keine Allergien“, schreibt Johanna in die Geburtsanmeldung und dass der Vater des Kindes Raucher ist. „Bei uns kommen Babys auch im Wasser zur Welt“, stellt Kast Gruppenmitglied Maylinda eine der Geburtsmöglichkeiten vor. Die Albanerin kann und will sich das lieber nicht vorstellen. Mehr Interesse zeigt sie an der richtigen Atemtechnik während der Niederkunft. „Durch die Nase ein- und tief und lange in den Bauch ausatmen, die ganze Luft direkt zum Baby“, erklärt Mareike Kast.

„Bevor wir zum Kreißsaal gehen, könnt ihr euch noch etwas von den Sachen nehmen“, sagt Cramer und weist auf den Spendenstapel hin, der auf einem Tisch bereitliegt. Kim verteilt Umstandskleidung und Baby-Erstausstattungen. Dankbar nehmen sich die Asylbewerberinnen, was sie brauchen.

Der Weg von der Elternschule zur Klinik ist nicht weit. Johanna erklärt, wie die Schwangeren vom Haupteingang in den Kreißsaal gelangen. Vor dem Kreißsaal klingelt sie. Aus Kreißsaal 1 sind Geburtsgeräusche zu hören. Maylindas Mann ist die Aufregung anzusehen. Ängstlich blickt er auf die geschlossene Tür. Schnell führt Kast die Gruppe weiter zu Kreißsaal 6. Überrascht schauen sich die werdenden Mütter in dem in warmen Farben gehaltenen Raum um. „Wo ist die Medizin?“, fragt Abrehat erstaunt. Für den Bedarfsfall ist alles vorhanden, versichert Kast. „Wenn die Geburt normal verläuft, ist nichts weiter nötig.“

„Wasser entspannt. Es kann die Wehen beschleunigen“, erklärt Cramer die Badewanne im Raum. Die Zweifel daran stehen Fatima, Abrehat und Maylinda und ihrem Mann ins Gesicht geschrieben. Ohannes übersetzt jede Information. „Die Frauen sind nie alleine“, betont Cramer. Das beruhigt. Fragen haben die Flüchtlingsfrauen keine mehr. Sie wollen jetzt lieber nach Hause und die Eindrücke von dem Ort, an dem sie in den nächsten Stunden, Tagen oder Wochen ihre Kinder zur Welt bringen werden, verarbeiten. Aber alle wollen nächsten Mittwoch wieder pünktlich zur Hebammensprechstunde kommen. „Hoffentlich mit meinem Baby im Arm“, sagt Maylinda. Ellen Korelus-Bruder

Familien stabilisieren und Gesundheitsförderung voranbringen

Hebammenschülerinnen bereiten sich auf ihre künftigen Aufgaben vor – Die Sprechstunde finanziert sich überwiegend aus Spendenmitteln

Die Hebammensprechstunde ist ein kostenloses Betreuungs- und Begleitangebot für Flüchtlingsfrauen während der Schwangerschaft und frühen Elternzeit. In Zusammenarbeit mit dem „Treffpunkt Asyl“ der Speyerer Gedächtniskirchengemeinde, Proasyl und der Hebammenschule der Diakonissen Speyer-Mannheim wurde eine Sprechstunde in der Elternschule Speyer installiert, die jeden Mittwoch von 16 bis 18 Uhr geöffnet ist.

Sie richtet sich an Flüchtlingsfrauen in Speyer und Umgebung. Die professionellen und angehenden Hebammen, derzeit acht Schülerinnen im zweiten Lehrjahr, bieten von den Lehrlingen erarbeitete Informationen über Schwangerschaft, Geburt, Ernährung, Hygiene und Wochenbettzeit. Weitere Themen sind Neugeborenenpflege, Still- und Elternzeit, Einblick in allgemeine Gesundheitsthemen und eine praktische Einführung ins deutsche Gesundheitssystem. Individuelle Beratung, Begleitung zur Geburtsanmeldung im Dia­konissen-Stiftungs-Krankenhaus und nach Möglichkeit auch zur Geburt in der Klinik sind inbegriffen.

Die Hebammen kooperieren mit bereits in Speyer bestehenden Betreuungsangeboten sowie mit niedergelassenen Gynäkologen und Kinderärzten. Die angehenden Hebammen hospitieren bei der individuellen Beratung und begleiten die Frauen zur Geburtsanmeldung in die Klinik sowie – falls erwünscht – bei der Geburt. Bereits im Unterricht hätten sich die Hebammen in Ausbildung beispielsweise mit der in einigen Herkunftsländern der Flüchtlingsfrauen üblichen rituellen Beschneidung von Mädchen auseinandergesetzt, berichtet Lehrhebamme und Leiterin der Elternschule Mareike Kast.

Die Entbindung im Diakonissen-Stiftungs-Krankenhaus ermögliche Kontakt zu den „Frühen Hilfen“ unmittelbar nach der Geburt, sagt Hebamme Kerstin Cramer. „Wir übernehmen keinerlei medizinische Vorsorge“, betont sie. Die bleibe ausschließlich den Gynäkologen vorbehalten. „Das Projekt soll bereits bestehende Angebote ergänzen“, fasst Cramer zusammen. Es wurde ein Netzwerk unterschiedlicher Unterstützungsmöglichkeiten geschaffen.

Die zusätzlichen Belastungen bei der Schwangerschaft einer Asylbewerberin seien für Familienhebammen zu groß, weist Kast auf die Notwendigkeit der Hebammensprechstunde hin. „Sobald das Vertrauen gewachsen ist, wollen wir mit den Asylbewerberinnen über kulturelle Unterschiede und das westeuropäische Frauenbild diskutieren“, sagt Cramer. „Mit dem Projekt können wir ganze Familien stabilisieren und deren Gesundheitsförderung voranbringen“, ist die Hebamme überzeugt.

Die Hebammensprechstunde finanziert sich überwiegend über Spenden: Evangelische Kreditgenossenschaft Kassel, IBAN: DE40 5206 0410 0407 0205 97, BIC: GENODEF1EK1, Verwendungszweck: Hebammensprechstunde. ebru

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