Geheimnisvolle Codes auf Luthers Spuren knacken

Rätselspiel zur Protestation und zur Reformationsgeschichte in Speyer – Mit Teamgeist und Hirnschmalz zum Reichstag von 1529 unterwegs

Rätselmacherin: Die Historikerin Nadja Pentzlin zeigt auf einer alten Karte den Weg zu Luther nach Wittenberg. Foto: Landry

Der Museumsdirektor ist in Aufregung: nur wenige Stunden bis zur Ausstellung. Einige Bilder sind noch in abgeschlossenen Koffern und Transportkisten verstaut. Doch der Kurator ist verschwunden und hat die Codes mitgenommen. Platzt die Ausstellung? Die Uhr tickt: Nur 60 Minuten hat das zusammengewürfelte Kuratorenteam Zeit, alle Rätsel zu Martin Luther und zur Reformation zu lösen, damit alle Bilder rechtzeitig an der Wand hängen.

Alles nur ein Spiel: „Speyer – Stadt der Protestation“ heißt das Gruppenspiel im neuen „Escape und Museum Speyer“ in der Speyerer Altstadt. Bis zu sechs Personen können sich dort in einem umgebauten Wohnraum spielerisch in einem „Live Escape Game“ auf den Weg zum Speyerer Reichstag von 1529 aufmachen. Damals traten evangelische Reichsstände erstmals öffentlich für Glaubensfreiheit ein. Der Protest vor dem Kaiser gab den Evangelischen ihren Namen: Protestanten.

Der aus Japan und den USA stammende Spieltrend „Live Escape Game“ zu unterschiedlichen Themen ziehe seit einigen Jahren weltweit immer mehr Spielwütige in den Bann, erläutert Nadja Pentzlin. Die 30-jährige promovierte Historikerin aus Ingolstadt hat für Speyer eine besondere Version entwickelt: Eine Gruppe ist in einem Raum eingesperrt und muss zahlreichen versteckten Hinweisen zu Luthers Lebensgeschichte nachspüren.

Nur gemeinsam als Teamplayer kommt man weiter, eine Stunde ist Zeit. Die Spieler müssen viel Hirnschmalz verwenden, um Codes zu knacken oder Gegenstände zu kombinieren. Für jede gelöste Frage – etwa zum Geburtsjahr Luthers, dem Klostereintritt, dem Thesenanschlag und der Bibelübersetzung – bekommt das Team ein Bild. Ist die Bilderausstellung, die den Weg zur Speyerer Protestation nachzeichnet, komplett, gibt es auch den letzten Schlüssel zum Ausgang des Raums: zur „Freiheit“.

Das Spiel rund um Luther und die Reformation ist wohl das Erste seiner Art, glaubt Pentzlin, die im schottischen St. Andrews Reformationsgeschichte studierte. Man müsse nicht viel zum Thema wissen, aber man könne einiges darüber lernen. Vor allem Jugendliche sollten „spielerisch Geschichte erleben“ und erkennen, dass die Reformation ein Ereignis von Weltrang gewesen sei, sagt sie.

Über einen Computermonitor an der Wand meldet sich Pentzlin aus dem „Off“, wenn im Spiel einmal nichts mehr geht: Wenn sich ein Koffer partout nicht öffnen lässt, weil das Team die knifflige Zahlenkombination nicht herausfindet. Oder wenn die Spieler einfach nicht verstehen, wofür die magnetischen Würfel gut sein sollen. „Vielleicht passen die Würfel auf …?“, lautet der Tipp aus dem Lautsprecher.

Das Rätselraten unter Zeitdruck verpasse einen positiven Adrenalinstoß, lobt Andrea Teucke aus Neustadt. Mit viel Spaß und hoch konzentriert löst die 20-jährige Studentin eine Aufgabe nach der anderen und pinnt die Bilder an die Wand. „Das Spiel ist toll – und höchst interessant für Konfirmandengruppen“, ergänzt Wolfgang Schumacher, der Reformationsbeauftragte der pfälzischen Landeskirche, der mitgerätselt hat.

Die Landeskirche unterstützt das „Escape Game“ zur Reformationsgeschichte. Auf dem „Europäischen Stationenweg“ nach Wittenberg, auf dem sich 67 Orte mit Reformationsgeschichte in 18 Ländern beteiligen, wird das Spielangebot eine Speyerer Attraktion sein, kündigt Schumacher an. Auch die von Landeskirche und Stadt Speyer entwickelte „Speyer-App“ weist darauf hin. Können Spieler auch nach dem Reformationsjubiläum 2017 dem Geheimnis der Reformation auf die Spur kommen? Nadja Pentzlin gibt sich vorsichtig: „Mal sehen, wie groß danach das Interesse ist.“ Vielleicht muss man dann Codes zu einem anderen Thema knacken, um seinem „Gefängnis“ zu entfliehen. all

Spielattraktion

Das „Escape und Museum Speyer“ in der Widdergasse 25a, 67346 Speyer, ist erreichbar unter Telefon 01 76 / 38 00 31 03, Internet: www.escapemuseum.de. Die Preise für den einstündigen Rätselspaß variieren zwischen 60 Euro für zwei Personen und 84 Euro für sechs Personen. red

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