Klosterleben nach evangelischer Ordnung

Kloster Stift zum Heiligengrabe spiritueller Leuchtturm in der Mark Brandenburg – Einmalige Architektur

Hof der Abtei: Die meisten Gebäude des im Mittelalter gegründeten Frauenklosters sind restauriert. Foto: epd

Das Kloster Stift zum Heiligengrabe, im Nordwesten Brandenburgs in der Ostprignitz gelegen, ist zweifelsohne ein Kleinod deutscher Kulturgeschichte. Es ist das bedeutendste und am besten erhaltene Frauenkloster in der Mark Brandenburg. Mit der gotischen Klosterkirche, der Abtei und der Heiliggeistkapelle ist ein einmaliges Zeugnis brandenburgischer Klosterarchitektur erhalten geblieben.

Die Gründung erfolgte 1287 als Zisterzienserinnenkloster, die Besiedlung begann 1289 durch zwölf Nonnen aus dem Kloster Neuendorf in der Altmark. In den folgenden Jahrhunderten bis zur Reformation wurde der Gebäudebestand ständig erweitert. Als Kurfürst Jochim II. 1539 die Reformation in Brandenburg einführte, gab es Auseinandersetzungen über den Fortbestand des Klosters, die damit endeten, dass die Zisterzienserinnen 1549 die evangelische Kirchenordnung annahmen, sich aber zusichern ließen, dass sie ihre Stundengebete nach dem benediktinischen Ritus halten dürfen. Seither ist das Kloster Stift zum Heiligengrabe eine evangelische Frauenkommunität; die Bewohnerinnen nennen sich nicht mehr Nonnen, sondern Stiftsdamen. Gemäß dem seit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 geltenden landesherrlichen Kirchenregiment unterstand das Kloster fortan dem jeweiligen Landesherrn.

1853 übertrug der preußische König Friedrich Wilhelm IV. die Verantwortung für das Kloster dem Evangelischen Oberkirchenrat der Altpreußischen Union. In dessen Rechtsnachfolge ist heute die Union Evangelischer Kirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (UEK) Trägerin des Klosters.

Angesichts der jüngeren deutschen Geschichte ist es nicht selbstverständlich, dass das Kloster seit fast 730 Jahren ununterbrochen ein von Frauen geprägter Ort geistlichen Lebens geblieben ist. Zwar war es schon den Nationalsozialisten aufgrund des Widerstands der damaligen Äbtissin Armgard von Alvensleben nicht gelungen, die kirchliche Internatsschule in eine Heimschule umzuwandeln; aber auch als 1945 die Äbtissin mit den letzten verbliebenen Schülerinnen in den Westen geflohen war, blieben acht Stiftsdamen in Heiligengrabe zurück.

Ab 1946 gibt es einen unerwarteten Neuanfang, denn die aus Miechowitz in Oberschlesien vertriebenen Diakonissen der Friedenshortschwesternschaft siedeln sich in der Abtei an. Nun will es der Zufall, dass in der Kirchengemeinde Heiligengrabe, also in der Ortschaft in unmittelbarer Nähe des Klosters, Ingeborg Maria Freiin von Werthern als eine der ersten ordinierten Pfarrerinnen ihren Dienst versah; diese wurde 1952 vom damaligen Berlin-Brandenburgischen Bischof Otto Dibelius als neue Äbtissin eingeführt. Ingeborg Maria von Werthen gelang es, über einen Zeitraum von mehr als vier Jahrzehnten den Konvent zusammenzuhalten.

Zwei Jahre nach dem Tod der Äbtissin verlassen die Diakonissen 1998 die Abtei und gründen eine eigene diakonische Einrichtung auf dem Gelände der ehemaligen Stiftsgärten in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kloster. Da das Kloster Stift zum Heiligengrabe seit 1997 als „Denkmal von nationaler Bedeutung“ anerkannt ist, stehen für die nun notwendige Sanierung der Gebäude Landes- und Bundesmittel zur Verfügung. In dieser Zeit der Renovierung besucht die Heidelberger Theologin Gerta Scharffenorth mit ihrer Freundin, der Karlsruher Pfarrerin Friedericke Rupprecht, den Ort Heiligengrabe, wo sie nach ihrer Flucht aus Schlesien einige Zeit lebte. Es entsteht der Plan, dass die alleinstehende Pfarrerin Rupprecht das Amt der Äbtissin übernehmen soll. Nach ihrer Einführung 2001 gelingt es Friedericke Rupprecht, den Konvent auf heute vier am Ort lebende und sechs externe Stiftsdamen zu vergrößern. Während die internen Stiftsfrauen und die Äbtissin alleinstehend sind, können die externen auch verheiratet sein.

Heute ist das Kloster ein gut besuchtes Tagungszentrum mit einer zunehmenden Zahl von Teilnehmern. Von den Stiftsfrauen erfordert dies eine permanente Bereitschaft zum Gespräch und zur Begleitung. Auch nimmt der Konvent Gäste für Auszeiten und zur Teilnahme am geistlichen und gemeinschaftlichen Leben auf. Nach den oft unsicheren Neuanfängen der Vergangenheit scheint die Zukunft des Klosters auch personell gesichert. Wenn die 75-jährige Friedericke Rupprecht sich jetzt aus der Leitung zurückzieht, steht mit der 59-jährigen westfälischen Pfarrerin Erika Schweizer eine Nachfolgerin bereit, die dafür sorgen wird, dass das Stift Heiligengrabe auch in der kommenden Generation ein spiritueller Leuchtturm in der Mark Brandenburg bleiben wird. Martin Schuck

Warum Kirchenpräsident Schad die neue Äbtissin einführt

Als UEK-Vorsitzender ist der Pfälzer der Hausherr im Berliner Dom und für das Kloster Stift zum Heiligengrabe in Brandenburg verantwortlich

Die Pfalz gehörte bekanntlich niemals zu Preußen. Trotzdem liegt es im Bereich der Zuständigkeit des pfälzischen Kirchenpräsidenten Christian Schad, am 10. Januar im Kloster Stift zum Heiligengrabe die neue Äbtissin Erika Schweizer einzuführen. Der Grund liegt in einer Konstellation des kirchlichen Föderalismus, der die ehemals zu Bayern gehörende Evangelische Kirche der Pfalz in die Rechtsnachfolge der Altpreußischen Union einbindet.

Schad wurde im November 2013 zum Vorsitzenden der Vollkonferenz der Union Evangelischer Kirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (UEK) gewählt. Die UEK ist ein 2003 entstandener Zusammenschluss von Kirchen, der die Evangelische Kirche der Union (EKU) und die Arnoldshainer Konferenz (AKf) zusammenführte. War die UEK als Rechtsnachfolgerin der Altpreußischen Union ein Verbund sämtlicher unierter Kirchen im ehemaligen Land Preußen, so sammelten sich in der AKf neben den EKU-Kirchen weitere unierte und reformierte Kirchen, sowie mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg auch eine lutherische Landeskirche. Die anderen lutherischen Landeskirchen, mit Ausnahme der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Württemberg, gehören der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland (VELKD) an.

Da die Rechtsnachfolge der Altpreußischen Union damit von der EKU auf die UEK übertragen wurde, übernahm die UEK die Trägerschaft der kirchlichen Einrichtungen im ehemaligen Preußen, die der Union direkt unterstanden. Dazu gehören der Berliner Dom als Hauptstadtkirche und das protestantische Predigerseminar in Wittenberg. Da der preußische König Friedrich Wilhelm IV. 1853 die Verantwortung für das Kloster Stift zum Heiligengrabe, für das er bis dahin selbst zuständig war, nicht an eine einzelne Landeskirche abgegeben hatte, sondern dem Evangelischen Oberkirchenrat der Altpreußischen Union übertrug, ist heute die UEK Trägerin des Klosters. Das ist der Grund, warum ausgerechnet Kirchenpräsident Christian Schad dort Äbtissinnen einführen und verabschieden muss.

Ebenfalls ist Schad Hausherr im Berliner Dom und macht mehrmals im Jahr von seinem dortigen Predigtrecht Gebrauch. Da der Berliner Dom nicht im landeskirchlichen Besitz ist, war er auch niemals Gemeindekirche einer Kirchengemeinde der Berlin-Brandenburgischen Kirche, sondern immer Sitz einer Personalgemeinde. Das Presbyterium der Domgemeinde wurde lange von Irmgard Schwaetzer geleitet, der früheren Bundesministerin und heutigen Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. mas

Meistgelesene Artikel