Wenn der Pfarrer als Kitt für das Gemeindeleben fehlt

Vor allem ländliche Fusionsgemeinden leiden unter unbesetzten Pfarrstellen – Presbyter: Längere Vakanzen schaden der Kirche insgesamt

Drängt auf eine Besetzung der Pfarrstelle Dannenfels-Steinbach: Presbyter Wilhelm Drahozal. Foto: view

Auf „Speyer“ ist Wilhelm Drahozal momentan nicht gut zu sprechen. „Wir fühlen uns von der Kirchenregierung alleingelassen“, sagt der 67-jährige Presbyter der protestantischen Kirchengemeinde Dannenfels-Steinbach. Grund der Aufregung: Seit mehr als einem Jahr hat die aus fünf Teilgemeinden bestehende Kirchengemeinde in der Nordpfalz keinen Pfarrer mehr. Die zahlreichen Bitten und Hilferufe der Protestanten seien bei „der Obrigkeit“ auf taube Ohren gestoßen, moniert Drahozal. „Wir sind ziemlich frustriert.“

So wie den Protestanten am Donnersberg geht es auch anderen Kirchengemeinden in der pfälzischen Landeskirche, die oft längere Zeit ohne einen Seelsorger auskommen müssen. Durch leere Pfarrstellen hat sich vor allem die Situation für kleinere, ländliche Gemeinden verschärft, die auf Druck der Landeskirche zu größeren Einheiten zusammengelegt wurden.

Viel Arbeit wartet auf Pfarrerinnen und Pfarrer in solchen relativ mitgliederstarken Fusionsgemeinden. Dort müssen sie oft in mehreren Kirchen Gottesdienste halten, Presbyterien leiten sowie Kindergärten und andere Einrichtungen verwalten. Doch manchen Pfarrer schreckt wohl die Angst vor Überlastung bei einem solchen Gemeindejob ab, für andere scheint eine abgelegene Landgemeinde wenig attraktiv zu sein. Mancherorts liegen wegen der Pfarrerabsenz ganze Bereiche wie die Jugendarbeit brach.

„Ganz offensichtlich ist unsere Situation der Kirchenleitung gleichgültig“, vermutet Presbyter Drahozal. Die Vakanz versucht die rund 1850 Mitglieder zählende Kirchengemeinde so gut es geht zu überbrücken: Sie organisiert Gottesdienste und versucht auch sonst, das Gemeindeleben am Laufen zu halten. Doch ohne Pfarrer fehle der identitätsstiftende „Kitt“, der alles zusammenhalte, gibt der frühere Elektroingenieur zu bedenken. Einer länger pfarrerlos bleibenden Gemeinde kehrten die Menschen den Rücken – mit schweren Folgen für die Kirche insgesamt.

Auch Presbyter Gerhard Lauer aus Krähenberg kann davon berichten, wie eine längere Vakanz eine Gemeinde belastet. Seit mehr als einem Jahr warten die Protestanten darauf, dass die Pfarrstelle im westpfälzischen Großbundenbach für sieben Dörfer mit 1800 Gemeindemitgliedern neu besetzt wird. Pfarrer Martin Lenz aus Lambsborn, der vertretungsweise neben seinen beiden eigenen Gemeinden die Kirchengemeinde mit ihren drei Kirchen betreut, „kommt an seine Grenzen“, berichtet der 62-jährige frühere Lehrer. Nach dem Wechsel des bisherigen Pfarrers habe die Kirche versprochen, dass die Vakanz gleich besetzt werde, erinnert der Presbyter. Seither sei nichts passiert, viel Arbeit sei liegengeblieben. Bei einer Beerdigung habe eine Familie gar auf einen Laienprediger zurückgreifen müssen, weil kein Pfarrer verfügbar war.

Der Vertretungspfarrer Martin Lenz für Großbundenbach, der ein Gebiet von 49 Quadratkilometern abzudecken versucht, drängt darauf, „dass ein Ende des Dienstes absehbar ist“. Unhaltbar sei die Situation im Dekanat Homburg, wo derzeit vier Pfarrstellen vakant seien. Um vakante Pfarrstellen zu besetzen, müsste die Landeskirche mehr Druck auf jobsuchende Pfarrer oder Vikare ausüben und sie auch abordnen, stimmen die Presbyter Drahozal und Lauer überein. Allerdings, so geben sie zu bedenken, wäre es schwierig, die derart Abgeordneten zu ihrem Dienst zu zwingen.

Einfluss auf die Jobwahl der Vikare könne das Landauer Predigerseminar als Ausbildungsstätte für den Pfarrernachwuchs nicht nehmen, betont dessen Leiter, Pfarrer Peter Busch. Eine Abordnung sollte nur die „Ultima Ratio“ sein, sagt er. Wahlfreiheit besteht für Vikare der Landeskirche bei ihrer Stellensuche nicht. Sie können ihre Wünsche äußern, die Entscheidung über den Einsatzort liegt aber bei der Kirchenregierung. Presbyter Drahozal aus Steinbach hofft jedenfalls, dass mit etwas Glück im März ein neuer Seelsorger kommt: „Uns fehlt hinten und vorne ein Pfarrer.“ Alexander Lang

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