Eine Helferin in allen Lebenslagen für Asylsuchende

Angelika Geist geht als Flüchtlingsberaterin der Stadt Speyer in den Ruhestand – Ihr Arbeitsplatz ist eine kirchlich-kommunale Kooperation

Will in Mutterstadt in der Flüchtlingsarbeit helfen: Rentnerin Angelika Geist. Foto: Landry

Angelika Geist ist Flüchtlingsberaterin in Speyer – und katholisch. In den vergangenen zwei Jahren war ihr Arbeitgeber das Diakonische Werk Pfalz, während die Stadt Speyer ihre Stelle der Flüchtlingsberaterin finanziert hat. „Das gemeinsame Projekt von Stadt und Diakonie hat sich bewährt. Es ist bisher in der Pfalz einzigartig“, fasst Geist im Gespräch mit dem KIRCHENBOTEN ihre Erfahrung mit der kirchlich-kommunalen Allianz zusammen. „Mein größter Wunsch wäre ein ökumenisches Zentrum für Flüchtlingshilfe und Bedürftige mitten in der Stadt“, sagt sie.

Bilanz hat die 65-Jährige auch über ihre Arbeit in Speyer gezogen. Vieles, was sie sich vorgenommen habe, habe sie verwirklichen können, weist sie beispielsweise auf den „Treffpunkt Asyl“ hin, den sie im Gemeindehaus Martin-Luther-King-Haus der Gedächtniskirchengemeinde aufgebaut und etabliert hat. Zahlreiche ehrenamtliche Helfer stellten sich als Gesprächspartner zur Verfügung, sorgten für Kaffee und Kuchen und gemütliche Stimmung, beschreibt Angelika Geist die Kontakt- und Anlaufstelle für Flüchtlinge, Einheimische und Ratsuchende. Dort hat sie einmal wöchentlich in allen Asyl-Fragen beraten und Ehrenamtliche regelmäßig über rechtliche Möglichkeiten und kulturelle Unterschiede informiert.

Am 20. Januar 2014 hat die 65-Jährige die Arbeit mit Asylbewerber-Familien in einem zur Flüchtlingsunterkunft umfunktionierten ehemaligen Kindergarten aufgenommen. Längst ist sie für die derzeit 19 Erwachsenen und 21 Kinder zur Ansprechperson in allen Lebenslagen geworden. Eine, die immer einen Rat weiß, Verständnis für sie aufbringt und das nötige Durchsetzungsvermögen hat. Hochachtung habe sie vor dem liebevollen Umgang der Flüchtlinge miteinander trotz aller räumlichen Enge der Unterkunft, betont Angelika Geist. „Ich bin noch nie mit einem bösen Blick oder schlechter Laune empfangen worden.“ Vertrauen sei gewachsen, Respekt, Zuneigung und Freundschaft hätten die Flüchtlinge ihr entgegengebracht. „Wo ist Frau Geist?“ war bis zu ihrem letzten Arbeitstag die häufigste Frage in der Unterkunft. „Das wird sicher noch oft kommen“, vermutet die frisch verrentete Beraterin. Diesen Stellenwert wünscht Angelika Geist auch ihrem Nachfolger. Armando Laqueque hat ihre Arbeit am 1. März übernommen. Bisher war der 45-Jährige aus Mosambik Flüchtlingsberater im hessischen Langen.

In mehr als zwei Jahrzehnten Flüchtlingsarbeit hat Angelika Geist viel gelernt über Unterschiede in Kultur und Mentalität und über Sitten und Gebräuche in den Ländern, aus denen die Asylbewerber geflohen sind. Einige davon hat sie bereist, über die anderen hat sie viel gelesen. „Ich war völlig unpolitisch, bis ich in unzählige angstvoll aufgerissene Augenpaare geblickt habe“, schildert Geist das Elend der Asylbewerber, denen sie 1990 im Ludwigshafener Rheinhafen zum ersten Mal begegnet ist. „Zu Hunderten wurden sie auf Schiffen zusammengepfercht“, erinnert sie sich an unwürdige Umstände und ihren spontanen Impuls, zu helfen. Ehrenamtlich habe sie bald darauf den ökumenischen Arbeitskreis Flüchtlingshilfe in Ludwigshafen-Mundenheim gegründet, Netzwerke aufgebaut und das erste „Café Asyl“ eröffnet. Auf ihre Initiative hin sind Anlaufstellen mittlerweile auch in Bad Dürkheim, Frankenthal und im Rhein-Pfalz-Kreis entstanden.

Zuvor hat sich die Mutter von vier eigenen und wechselnden Pflegekindern in ihrer katholischen Kirchengemeinde in Ludwigshafen engagiert. Ihr „erster Beruf“ der chemischen Lebensmittelsachverständigen habe ihr bei der Bearbeitung ständig veränderter Flüchtlingsgesetze gute Dienste geleistet, sagt sie. „Das Wichtigste ist, den Menschen Zeit zu schenken“, betont sie.

Ihre Familie habe ihr Engagement von Anfang an mitgetragen, erzählt Angelika Geist von den vier eigenen Kindern, die den Gedanken der Menschlichkeit in ihr eigenes Leben mitgenommen hätten. Helfen zu können gebe ein gutes Gefühl, beschreibt sie den schönsten Lohn ihrer Arbeit. „Die Menschen geben so viel Liebe zurück“, sagt sie. Wer das erfahren wolle, müsse dort hingehen, wo die Not am größten ist. Das will die inzwischen in den Ruhestand verabschiedete Flüchtlingsberaterin auch weiterhin tun. Ab jetzt ist sie wieder ehrenamtlich in Mutterstadt dabei. Dort will sie daran mitwirken, der Flüchtlingsarbeit Struktur zu geben, einen weiteren Treffpunkt aufbauen und da sein, wo sie gebraucht wird. Die beruflichen Jahre in Speyer möchte sie „um nichts in der Welt missen“, sagt Angelika Geist. ebru

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