Die Entdeckung des Präsidenten

Christian Schad im Lutherhaus – Drei Reformatoren auf einem Bild – „Da ist doch meine Idee verewigt“

Im Landeskirchenrat in Speyer (von links): Philipp Melanchthon, Martin Luther, Christian Schad und Johannes Calvin. Foto: Landry

Im Lutherhaus in Wittenberg entdeckt: Das Bild des unbekannten Malers zeigt Calvin, Luther und Melanchthon gleichberechtigt über der aufgeschlagenen Bibel. Foto: pv

Was macht ein pfälzischer Kirchenpräsident in seinem Sommerurlaub, wenn es in Mitteldeutschland regnet? Als evangelischer Christ fährt er nach Wittenberg, besucht die neu renovierte Stadtkirche und das Lutherhaus, meint Christian Schad. Und dort im Lutherhaus hat er eine ganz erstaunliche Entdeckung gemacht, die Wittenberg und Speyer und somit auch den 500. Jahrestag des Thesenanschlags im Jahr 2017 und die 200-Jahr-Feier der Pfälzer Kirchenunion im Jahr 2018 miteinander verbindet: Johannes Calvin, Martin Luther und Philipp Melanchthon über der aufgeschlagenen Bibel auf einem Bild. Luther und Calvin sind sich persönlich nie begegnet.

Was den Wittenberger Touristen aus der Pfalz besonders berührt: Dieses Ölgemälde aus Holz wurde bereits Ende des 16. Jahrhunderts und damit noch vor dem Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) gemalt. Auf einer Tafel daneben steht der Satz „Offensichtlich stellt der unbekannte Künstler den Wunsch nach protestantischer Einheit dar, die es so in der Realität nicht gab“. Hatte nicht der Protestantische Landeskirchenrat in Speyer noch kurz vor der Sommerpause genau diese drei Reformatoren ausgewählt, um drei Jahre vor dem Unionsjubiläum drei Büsten für die Räume der Pfälzer Kirchenleitung von dem Künstler Wolf Spitzer aus Speyer anfertigen zu lassen.

„Ich habe im Lutherhaus Stube für Stube besucht. Lutherhandschriften – die Wirkungsgeschichte im 17., 18. und 19. Jahrhundert. Und plötzlich stehe ich vor diesem Bild und denke, da ist doch meine Idee verewigt“, sagt Schad. „Drei Personen gleichberechtigt nebeneinander, der Wunsch nach Einheit und ein Unionsbild, das man so nicht kennt.“

Schließlich war es ja der bayerische Rheinkreis Pfalz in seinen bis heute bestehenden Grenzen, der sich 1818 zu einer „wirklichen Vereinigung“ der bis dahin getrennten lutherischen und reformierten Konfessionen entschied. Christian Schad zitiert Paragraf 1 der Unionsurkunde, in dem Lutheraner und Reformierte erklären: „Inskünftig wollen die Protestanten des Rheinkreises fest und brüderlich vereinigt sein und bleiben als Protestantisch-Evangelisch-Christliche Kirche“. Das war der unierte und ökumenisch programmatische Gründungsname der pfälzischen Landeskirche im Jahr 1818, der 1978 in „Evangelische Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche)“ dem Zeitgeist entsprechend verändert wurde.

1818 lebten auf dem Kirchengebiet der pfälzischen Landeskirche etwa 130 000 Reformierte, die sich auf Zwingli und Calvin beriefen, und 100 000 Lutheraner, die der Lehre Luthers folgten. Im Unterschied zu den rein lutherischen und reformierten Landeskirchen halten die 550 000 unierten Protestanten zwischen Rhein und Saar heutzutage sowohl die lutherischen als auch die reformierten Bekenntnisse nur noch „in gebührender Achtung“. Für Schad bedeutet das, dass „wir uns also nicht nur auf einen der Reformatoren, sondern auf das reformatorische Erbe insgesamt beziehen“.

Im 16. Jahrhundert gab es neben weiteren wichtigen Reformatoren – wie Butzer und Zwingli – die drei Hautpersonen: Luther, Melanchthon und Calvin. Wobei für den Pfälzer Kirchenpräsidenten, den gelernten Ökumeniker und Vorsitzenden der Union Evangelischer Kirchen (UEK), Melanchthon besondere Sympathien genießt.

Für Christian Schad bestimmt der Kurpfälzer Melanchthon (1497 in Bretten geboren und 1560 in Wittenberg gestorben) das Menschsein mit einem einzigen prägnanten Satz: „Wir sind zum wechselseitigen Gespräch geboren.“ Er bezeichnet Melanchthon als den größten Ökumeniker seiner Zeit. Auf dem Reichstag zu Augsburg habe er auf die strittige Frage nach dem Wesen der Kirche geantwortet: Die eine, heilige, katholische Kirche ist da, wo Menschen sich im Glauben versammeln; bei denen das Evangelium rein gepredigt und die Sakramente der Einsetzung Jesu gemäß gefeiert werden. Diese Feststellung habe Melanchthon zur wahren Einheit der Kirche genügt.

Nach Überzeugung von Schad konzentrierte Melanchthon alles auf das Wesentliche und gewann so eine geradezu ungeheuerliche Weite, was die Gebräuche, Riten und rechtlichen Ordnungen anging: „Hier, so sagt er, ist eine Pluralität, eine Vielfalt und Verschiedenheit, möglich, die auch weiter fortbestehen kann, ohne die Einheit im Kern, im Innersten, zu tangieren.“ Insofern habe Melanchthon vorweggenommen, was heutzutage unter „Einheit in versöhnter Verschiedenheit“ verstanden wird.

Philipp Melanchthons Mühen um eine innerprotestantische Verständigung hat sich schließlich im 19. Jahrhundert verwirklicht – weshalb Schad den Kurpfälzer Melanchthon auch als Vordenker der evangelischen Unionen bezeichnet. So schließt sich der Kreis in einem Bild, das der Vorsitzende der Union Evangelischer Kirchen an einem Regentag in Wittenberg entdeckt hat. Philipp Melanchthon, der Vertraute Luthers und Brieffreund Calvins, auf dem Bild eines unbekannten Malers mit den beiden Kontrahenten, die sich nie begegnet sind. Hartmut Metzger

Die Pfalz feiert im September 2018

In 30 Monaten ist es so weit: Die Pfälzer Kirchenunion, die Vereinigung der reformierten und der lutherischen Gemeinden zur heutigen pfälzischen Landeskirche, wird 200 Jahre alt. Von Freitag bis Sonntag, 7. bis 9. September 2018, soll sie in Kaiserslautern gefeiert werden, an dem Ort, an dem sie nach der Abstimmung der protestantischen „Gemeindsglieder“ gegründet wurde. Geplant sind ein großer Festgottesdienst und Festakt am Sonntag, ein Kirchentag am Samstag sowie Veranstaltungen im Vorfeld in den Orten der Lokalunionen, die sich bereits seit 1805 gegründet hatten. mez

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