Der Irrlehre Hitlers willig gefolgt

Schad: Kein Schlussstrich unter braune Geschichte der Landeskirche – NS-Handbuch in Speyer vorgestellt

Blättern in einem dunklen Kapitel: Zahlreiche Besucher bei der Vorstellung des NS-Handbuchs der Landeskirche. Foto: Landry

Die pfälzische Landeskirche hat sich zu ihrer Schuld bekannt, eine willige Stütze des NS-Regimes gewesen zu sein. Der Protestantismus in der Pfalz habe in kaum fassbarer Geschwindigkeit seine Selbstanpassung vollzogen, sagte Kirchenpräsident Christian Schad am Montag in Speyer bei der Vorstellung eines Handbuchs zur Geschichte der Landeskirche in der NS-Zeit. Nur wenige Kirchenmitglieder hätten die Hitler-Herrschaft abgelehnt oder gar Widerstand geleistet.

Die Landeskirche sei zwischen 1939 und 1945 „in einen tiefen Abgrund gestürzt“, sagte der Kirchenpräsident bei der Präsentation des zweibändigen Buchs „Protestanten ohne Protest“ vor rund 250 Gästen aus Kirche, Politik und Gesellschaft im Historischen Museum der Pfalz. Bereitwillig seien sie der verbrecherischen „Irrlehre“ der Nationalsozialisten gefolgt. Unter ihrer Geschichte in der NS-Zeit dürfe die Landeskirche keinen Schlussstrich ziehen. Im Blick auf die Großeltern-Generation seien „Nähe und Distanz, Dank und Abgrenzung“ nötig, sagte Schad. Die Erinnerung müsse zur praktischen Solidarität mit verfolgten Menschen führen.

Protestantismus und Nationalsozialismus seien in der Pfalz weitgehend Hand in Hand gegangen, sagte Akademiedirektor Christoph Picker als Mitherausgeber des NS-Handbuchs. Das Buch sei „ein Statement“ und wolle weder abrechnen mit den Versäumnissen früherer Generationen noch schlimme Geschehnisse relativieren. Ziel sei es, zum Weiterdenken über Konsequenzen für die Erinnerungskultur anzuregen. Picker regte an, die Landeskirche solle den Pirmasenser Pfarrer Oswald Damian (1889 bis 1978), einen „gebrochenen Helden“, ehren: Als einer der wenigen Theologen in der Pfalz habe er mutig Widerstand geleistet und habe dafür im Konzentrationslager Neustadt gelitten.

Die Kirche dürfe sich nach den Erfahrungen der NS-Zeit nie wieder zum Erfüllungsgehilfen einer Regierung machen, appellierte Michael Garthe, der Chefredakteur der Tageszeitung „Die Rheinpfalz“. Eine Lehre aus der deutschen Geschichte sei es, dass Christen ein Bollwerk gegen Unrecht und Unmenschlichkeit sein müssten. Deshalb gelte es, heute gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Nationalismus einzustehen. Wer nicht versuche, aus der Vergangenheit zu lernen, mache sich „zum Analphabeten der Geschichte“, sagte Garthe. Alexander Lang

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