Weißes Gold und Salz der Erde

Unscheinbares Körnchen bedeutet Macht und Reichtum – Schon die Kelten stellen in der Pfalz Salz her

Über Reisigwände rieselt die Sole aus der Neuen Maxquelle: Die Bad Dürkheimer Saline wurde 2010 wiedereröffnet. Foto: Konrad

Es sind unscheinbare Körnchen, doch unverzichtbar: das Salz. Wir verfeinern damit unsere Speisen, brauchen es im Winter zum Streuen, aber auch zum Färben oder zum Wäschewaschen. Seine Gewinnung war früher aufwendig, sein Besitz bedeutete Macht und Reichtum. Und auch in der Bibel spielt Salz eine große Rolle.

„Brot und Salz, Gott erhalt’s.“ – Wer kennt ihn nicht, diesen Sinnspruch, der in vielen Wohnungen an der Wand hängt. Sind Brot und Salz doch Inbegriff der notwendigen Nahrung und werden traditionell zum Einzug in eine neue Wohnung oder auch zur Hochzeit geschenkt. Salz ist für uns lebensnotwendig. Einerseits. Aber da gibt es auch eine zweite Seite des Salzes, eine negative, lebensfeindliche. Diese kommt in Redewendungen wie „Salz in die Wunde streuen“, „jemandem die Suppe versalzen“ oder „gesalzene Preise“ zum Ausdruck. Wenn man jemanden nicht das Salz in der Suppe gönnt, wird Salz als Synonym für Neid und Missgunst verwendet. Die „gesalzene Stadt“ (Richter 9, 45) in der Bibel ist dafür ein weiteres Beispiel: Abimelech besiegte die Stadt Sichem, „und tötete das Volk, das darin war, und zerstörte die Stadt und streute Salz darauf“. Salz ist hier ein Symbol für die völlige Vernichtung der Stadt.

Salz findet sich in der Bibel noch in anderen Zusammenhängen. Da ist zum Beispiel Lots Frau, die bei der Flucht aus Sodom und Gomorra entgegen der göttlichen Anordnung zurückblickt und zur Salzsäule erstarrt. (1. Mose 19, 15 ff.). Im Kolosserbrief (Kolosser 4, 6) heißt es: „Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt, dass ihr wisst, wie ihr einem jeden antworten sollt.“ Ein Tipp, den auch heute noch so mancher Redner beherzigen sollte. Außerdem reinigt Salz das Wasser (2. Buch der Könige 2, 20 ff.) und im 3. Buch Mose (2, 13) heißt es: „Alle deine Speisopfer sollst du salzen.“

„Ihr seid das Salz der Erde“, sagt Jesu zu seinen Jüngern. Dieser Satz (Matthäus 5, 13 f.) ist wohl eine der bekanntesten Aussagen aus der Bergpredigt, wenn nicht gar aus der ganzen Bibel. „Am 26. Juli 2015 habe ich das letzte Mal über diesen Satz aus dem Matthäusevangelium gepredigt“, sagt Pfarrer Frank Biebinger aus Bad Dürkheim. „Hier in Bad Dürkheim wird trotz der Saline das Thema Salz nicht häufiger als anderswo im Gottesdienst aufgenommen“, berichtet der Pfarrer. Manchmal werde den Brautpaaren im Traugottesdienst Salz mitgegeben. Dann zieht er in seiner Predigt immer den Bogen zu Bad Dürkheim, der Saline und der langen Geschichte der Salzherstellung vor Ort.

Denn schon die Kelten haben hier am Rande der Pfalz Salz hergestellt und waren im Salzhandel tätig. Auch von den Limburger Äbten im 12. und 13. Jahrhundert weiß man, dass sie Salz produziert haben. Das war ein extrem aufwendiger Prozess, musste die Sole aus den salzhaltigen Quellen doch so lange eingekocht werden, bis nur noch Salz übrig war, denn Gradierbauten kannte man damals noch nicht. Im Laufe der Geschichte fielen die Salzquellen an die Grafen von Leiningen, um 1700 dann an den pfälzischen Kurfürsten.

Nicht umsonst spricht man vom Salz auch als dem „weißen Gold“: Salz war wichtig, war begehrt. Für die Griechen und Römer war es sogar ein Geschenk der Götter. Wer Salz hatte, hatte die Macht. Es war im Altertum und Mittelalter das wichtigste Fernhandelsgut. Salz war so wichtig, weil es nicht nur zum Würzen verwendet wurde, sondern vielmehr noch zum Konservieren von Lebensmitteln, aber auch bei der Verarbeitung von Fellen, der Metallveredlung und bei der Glas- und Keramikherstellung benötigt wurde.

In Bad Dürkheim erlebte die Salzproduktion mit dem 1716 errichteten „Duppert’schen Gradierwerk“ einen Aufschwung. Der sächsische Salinenspezialist Joachim Friedrich Freiherr von Beust errichtete fünf weitere Gradierwerke, darunter das mit fast 750 Metern längste Gradierhaus „Churpfaltz“. Die jährliche Salzproduktion der Salinenanlage „Philippshall“ lag bei rund 640 Tonnen Salz.

An die großen Zeiten der Salzproduktion erinnert heute nur das Gradierwerk „Bad Dürkheim“. Mitte des 19. Jahrhunderts war die Salzproduktion kaum noch wirtschaftlich, man dachte über ihre Einstellung nach. Zeitgleich kamen jedoch Trink-, Atem- und Badekuren mit Sole auf – sozusagen eine frühe Wellnesswelle. Ein Gradierbau wurde für Atemkuren und zur Gewinnung der Sole stehen gelassen, und Dürkheim wandelte sich vom Salzproduzenten zur Kurstadt. Den Titel „Bad“ erhielt der kleine Ort übrigens erst 1904.

Nachdem das historische, 1847 errichtete Gradierwerk „Zweybrücken“ 1992 und 2007 zwei Bränden zum Opfer gefallen war, entschied man sich in Bad Dürkheim schnell, das traditionsreiche Bauwerk wiederaufzubauen. Für die sogenannte Bedornung des neuen Gradierbaus wurden 158 LKW-Ladungen voller Reisig vom Schwarzdorn eigens aus der Ukraine und Polen in den Kurort gebracht. Über diese Reisigwände rieselt die Sole aus der Neuen Maxquelle im Kurpark. Entspricht der im Oktober 2010 wiedereröffnete Gradierbau vom Aussehen her den Vorgängerbauten, so wurde er doch zukunftsfähig gemacht. Bestes Beispiel: die Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach der Saline. Diese deckt den Jahresstrombedarf von 70 Familien.

„Die Dürkheimer wissen die Bedeutung des Salzes für ihre Lebensqualität zu schätzen“, ist sich Pfarrer Frank Biebinger sicher. Und Salz gehöre ja weiterhin zu Bad Dürkheim dazu. Diesen Gedanken hat auch der Bad Dürkheimer Steffen Michler aufgegriffen und sich intensiv mit der Geschichte des Salzes, dessen Herstellung und der Stadt befasst. Der promovierte Sinnesphysiologe und Sensorikexperte versuchte sich schließlich selber in der traditionellen Kunst der Salzherstellung und fand nach zahlreichen Versuchen eine geeignete Methode. Nach über 100 Jahren – das letzte Salz wurde in Bad Dürkheim 1913 gesiedet – hat er ein traditionelles Handwerk wieder aufleben lassen.

Noch immer ist die Salzgewinnung ein aufwendiger Prozess. Die Sole muss zweieinhalb Stunden kochen, bevor die ersten Salzflocken geschöpft werden können. Zehn Liter Salzwasser ergeben etwa 1,5 Kilogramm Salz. Davon verwendet er nur die ersten zwei Drittel für sein Salz. „Das erste Salz ist das reinste“, erklärt Steffen Michler. Pro Tag kann er so 15 Kilo Salz produzieren – und bei diesem aufwendigen Verfahren wird klar, warum er sein Salz „Dürkheimer Gold“ nennt. Anette Konrad

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