Groove und Swing im Tal der Könige

Pop-Oratorium „Hiskia“ dekanatsübergreifendes Projekt – Brückenschlag zwischen Tradition und Moderne

Skepsis der Chöre ist Begeisterung gewichen: Proben zum Pop-Oratorium „Hiskia“ im Luthersaal der Pirmasenser Lutherkirche. Foto: pv

Niemand konnte vorhersagen, ob das Projekt Pop-Oratorium dem 2015 aus der Taufe gehobenen protestantischen Bezirkskantorat Bad Bergzabern-Germersheim den entscheidenden Anfangsschwung verleihen würde. Aber alle Zeichen deuten, kurz bevor das ehrgeizige Projekt gleich dreimal über die Bühne geht, auf Erfolg. Das Pop-Oratorium „Hiskia“ ist musikalische Herausforderung und zeitgenössisches Sahnestückchen zugleich. Das Projekt mit Aufführungen in Pirmasens, Kandel und Bad Bergzabern bot zudem beste Voraussetzungen zum Neueinstieg für Sängerinnen und Sänger quer durch die Generationen, im Westen und im Süden der Pfalz.

Bezirkskantor Johann-Ardin Lilienthal, seit November 2015 im Amt, bestätigt, dass sich in Germersheim in der Tat ein singfähiger kleiner Projektchor zusammengefunden und sich gemeinsam mit der Bezirkskantorei Bad Bergzabern zu einer ansehnlichen Chorgemeinschaft gefügt hat.

Den Anstoß zum Gemeinschaftsprojekt „Hiskia“ hatte der Popularmusik- Beauftragte der Landeskirche, Maurice Antoine Croissant, Bezirkskantor in Pirmasens und Vorgänger Lilienthals in Bad Bergzabern, gegeben. Der Vertonung der Geschichte des wenig bekannten biblischen Königs war ein Auftragswerk für den Deutschen Evangelischen Kirchentag 2013 in Hamburg gewesen und dort ein mehrfach umjubeltes Highlight im Aufführungskanon. Sein Schöpfer Christoph Schönherr, Professor an der Musikhochschule Hamburg, hat auf der strukturellen Grundlage des klassischen Oratorienstils ein überaus spannendes, circa 90-minütiges Kirchenmelodram verfasst und in poppig moderner Klangsprache vertont.

Rezitative, Arien und Turba-Chöre sind ganz im geläufigen Bach’schen Duktus die formalen Handlungsträger. Das Geschehen wird „nach Texten der Bibel“ erzählt, vier Solisten schlüpfen in die Rollen der Protagonisten, die „Volksszenen“ des in der Regel vierstimmigen Chors fixieren die dramatischen Höhepunkte. Das instrumentale Fundament liefert begleitend und kommentierend ein Orchester mit traditionellem Streichersatz, dazu Bläser, eine Small Big Band und nicht zuletzt das Klavier. Harmonik und Grooves bewegen sich im Stil des 20. und 21. Jahrhunderts. „Das Werk ist ein genialer Brückenschlag tradierter Kompositionstechniken mit der Harmonik und den Grooves der populären Jetzt-Musik“, schwärmt Maurice Antoine Croissant, der die Pirmasenser Aufführung dirigieren wird.

Lilienthal, in Bad Bergzabern und Kandel am Pult, ergänzt: „Rock-,
Funk-, Swing- und Samba-Rhythmen sind auszumachen. Aber da die Geschichte eher dramatisch, mit düsterer Grundstimmung daherkommt, bestimmt vor allem der Blues das klangliche Tableau.“ Für den enorm wichtigen Klavierpart – da ist der Bezirkskantor nicht wenig stolz – konnte der Popularmusikbeauftragte der Badischen Landeskirche, Christoph Georgii, gewonnen werden – „ein landeskirchenübergreifender Aspekt“, freut er sich.

Und wie ist die Stimmung in den Chören? Blendend, wie zu hören ist. Vereinzelte Skepsis zu Beginn ist längst leidenschaftlicher Begeisterung gewichen. Und beileibe nicht allein bei den „U-40ern“. Gerda Kröher zum Beispiel, seit 2004 als Altistin in der Bezirkskantorei Pirmasens, davor in Kantoreien in Stuttgart und Köln aktiv, bringt es auf den Punkt: „Es gibt enorm dramatische und sehr ergreifende Momente im Werk – ich war von Beginn an fasziniert, und das ging wohl den meisten so“, ist sie sich sicher. „Wir haben natürlich mit Maurice Croissant einen fantastischen Vermittler. Wenn er am Klavier groovt, wird der Rhythmus buchstäblich in uns hineingeschwemmt.“ Sie liebe zudem die ausladende, bildhafte Dramatik, Schilderungen von Spott und Staunen etwa, beschreibt Gerda Kröher weiter. „Und nicht zuletzt habe ich eine Menge gelernt, zum Beispiel das Loslassen vom Notentext, das Swingen mit dem ganzen Körper.“ Die dergestalt schwärmt, wird übrigens demnächst 80 Jahre alt, wie sie ohne Umschweife bekennt.

Das Werk schließt, grandios und wirkungsvoll – wiederum ganz in der Tradition Bachs und Mendelssohns – mit einem Lobpreis Gottes für die wunderbare Errettung Hiskias. Gertie Pohlit

Die Geschichte

Die Geschichte des altjüdischen Königs Hiskia ist nachzulesen im 2. Buch der Könige des Alten Testaments. Er war ein guter, gottesfürchtiger Herrscher, der etwa zur Zeit des Propheten Jesaja lebte. Freilich führte er auch Kriege, zum Beispiel gegen einen assyrischen Despoten, der die Israeliten zu unterwerfen versuchte.

Im Pop-Oratorium „Hiskia“ wird mit Sängern, vielstimmigen Chören und groovigen Band-Sounds von der Belagerung Jerusalems durch den assyrischen König Sanherib berichtet. Mit Gottes Hilfe werden die Assyrer geschlagen. Aber Hiskia wird todkrank und das Volk trauert. Schließlich werden Hiskias Gebete erhört, und Gott schenkt ihm 15 weitere Lebensjahre. Er kehrt aus dem Reich der Schatten zurück ins Licht des irdischen Lebens. gpo

Der Komponist

Christoph Schönherr, geboren 1952, ist Professor an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Er studierte unter anderem bei Helmuth Rilling und promovierte an der Hochschule der Künste in Berlin.

Schönherr leitet eine Reihe von Chören im Bereich Jazz, Pop und Gospel, zum Beispiel die Jazz-Ensembles der Universität Duisburg und der Musikhochschule Hamburg. Außerdem ist er Gründer und Dirigent der klassischen Walddörfer Kantorei Hamburg. Er ist ein in vielen eurpäischen Ländern gefragter Gastdirigent und Leiter von Workshops sowie Komponist und Arrangeur vieler Werke für Jazz-Chor. Auch ist er Autor eines Handbuchs und Mitbegründer und Leiter des Internationalen Festivalchors C.H.O.I.R an der Musikakademie Ochsenhausen. gpo

„Hiskia“ – wo, wann, wer

Aufführungen:
Johanneskirche Pirmasens: Samstag, 14. Mai, 20 Uhr, Gesamtleitung: Maurice Antoine Croissant
Marktkirche Bad Bergzabern: Sonntag, 15. Mai, 18 Uhr, St. Georgskirche Kandel: Montag, 16. Mai, 18 Uhr; Gesamtleitung: Johann Ardin Lilienthal

Solisten:
Daniel Schreiber, Tenor (Erzähler); Philip Niederberger, Bariton (Obermundschenk, Hiskia); Michael Mantai, Bass (Jesaja); Svenja Hinzmann, Sopran (Magd, Bote Jesajas); Christoph Georgii, Klavier

Tutti:
Bezirkskantoreien Pirmasens und Bad Bergzabern, Projektchor Germersheim, Jugendchor „Unisono“, Band und Percussion sowie Mitglieder der Kammerphilharmonie Mannheim

Karten:
zu 15 Euro (ermäßigt acht Euro) erhältlich in:
Pirmasens: Eisenwaren-Wölfling, Telefon 0 63 31 / 2 49 70
Bad Bergzabern: Buchhandlung Wilms, Marktstraße, Telefon 0 63 43 / 93 91 72; Büro für Tourismus, Telefon 0 63 43 / 98 96 60
Kandel: Bücher-Pausch, Hauptstraße, Telefon 0 72 75 / 91 30 15; Elektro-Kö­nig, Landauer Straße, Telefon 0 72 75 / 9 57 00
sowie in den Gemeindebüros der Kirchengemeinden. gpo

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