Petruswitze und atemlose Ökumenia

Fastnacht auf dem Lämmchesberg in Kaiserslautern – Pfarrer als Berufsschwätzer und ernste Fastnachter

Schräge Vögel im evangelischen Gemeindehaus: Protestanten und Katholiken feiern gemeinsam Fastnacht. Foto: view

Cowboys, Hippies, Mönche und andere schräge Vögel tummeln sich zur Fastnachtsparty im evangelischen Gemeindehaus auf dem Kaiserslauterer Lämmchesberg. So weit – so unspektakulär in der Fastnachtszeit. Wenn allerdings der evangelische Gemeindepfarrer der Pauluskirchengemeinde, Karl Graupeter, in der Bütt Petruswitze zum Besten gibt und der katholische Kollege Klaudiusz Okon als Mafioso verkleidet über Sprüche zu seiner allsonntäglich viel zu langen Predigt lacht – dann ist das schon etwas Besonderes.

Die ökumenische Hahnenbalzfastnacht, kurz „HaBaFa“, geht bereits ins zweite Jahr. Die Idee dazu hatten Karl Graupeter, Markus Noglik von der katholischen Partnergemeinde Christ König und Presbyter Stefan Germer von der Pauluskirchengemeinde. „Fastnacht ist eigentlich etwas Katholisches“, sagt Graupeter. „Auch wir Pfälzer Protestanten sind lustig und haben im Laufe der Jahre Gefallen am Narrentum gefunden“, so der altgediente Fastnachter. Gemeinsam feiern die beiden Kirchengemeinden nun auch in diesem Jahr den Start in die Fastenzeit – mit einem bunten Programm für Groß und Klein.

Pünktlich um 19.11 Uhr ertönt der Mainzer Narrhallamarsch, und die Tollitäten der „HaBaFa“ marschieren in den mit 100 Besuchern voll besetzten Saal ein. Es spielt die „Kaddaschdroofe-Band“, wie Präsident Leo Heim sie liebevoll nennt, mit Graupeter am Saxofon. Mit einem dreifach-kräftigen „Kalau“ begrüßen er und seine Präsidiumskollegen, Markus Noglik und Stefan Germer, ihre närrischen Freunde.

Der erste Sketch lässt nicht lange auf sich warten. Die Kolpingjugend Kaiserslautern zeigt den verzweifelten Versuch einer frommen Mutter, ihre Kinder zum Gebet vor dem Essen zu bewegen. Doch Svenja zappelt nur am Tisch herum, während Lisa in ihrer Suppe panscht. Auch die „Jesus, Maria und Joseph“-Ausrufe inmitten ihrer Maßregelungen führen nicht zur geforderten Disziplin, und so gibt sie resigniert ihre Erziehungsversuche auf. Anschließend betritt der selbst ernannte Berufsschwätzer Graupeter unter dem Motto „Wer moiens uffwacht un hat kä Schmerze, der is dot“ die Bütt. Belohnt wird er mit einer imposanten Faschingsrakete.

Großen Applaus heimsen auch Angelika und Markus Noglik als Graupaulus und Ökumenia ein. Bei ihrem Beitrag zum Thema „Ökumene auf dem Lämmchesberg“ haben sie die Lacher des Pub­li­kums auf ihrer Seite. Höhepunkt ist die Neufassung von Helene Fischers Hit „Atemlos“. So heißt es im Refrain zum Beispiel: „Wir sind ökumenisch, farbenfroh und prächtig, wir feiern diese Nacht, macht alle mit.“ Dass nicht nur Klamauk die Faschingsszene beherrschen muss, zeigt Kirchenrat Wolfgang Schumacher alias „der ernste Fastnachter“. Zunächst erklärt er, stets mürrisch dreinblickend, dem Publikum seine Devise: „Spaß beiseit, genug gelacht, jetzt werd’s ernschd, s’ is Fassenacht.“ Mit beißendem Spott nimmt er sich zum Beispiel Pegida zur Brust: „Die Retter des Abendlandes hann se an de Klatsche, wenn die uns rette, dann Gut Nacht, moi Katche.“

Das närrische Publikum ist vom abwechslungsreichen Programm des Abends begeistert. Als echtes ökumenisches Ehepaar haben Alexandra Birle und Thomas Nebe vor allem Ökumenia und Graupaulus lieb gewonnen. „Der Zusammenhalt zwischen den Katholiken und Protestanten bei uns auf dem Lämmchesberg ist schon etwas Besonderes“, sagen die beiden. Diese Verbundenheit habe bereits eine lange Tradition, die 2012 mit einer ökumenischen Vereinbarung offiziell besiegelt wurde.

Dies kann auch Klaudiusz Okon, Koordinator der katholischen Pfarreiengemeinschaft Maria Schutz, bestätigen. „Hier herrscht eine große Offenheit zwischen den Konfessionen“, sagt der gebürtige Pole. Neben der ökumenischen Prunksitzung gebe es viele kreative Projekte, wie ökumenische Gottesdienste und Gemeindefeste. Von dieser Offenheit ist auch Pfarrer Karl Graupeter angetan. „Der Lämmchesberg ist eine reine Fundgrube für die Ökumene“, sagt er, sichtlich stolz auf die gelungene Zusammenarbeit. Charlotte Seeger

Der Narr als Leugner Gottes und Eva als Urmutter aller Narren

Heutiges fastnachtliches Brauchtum hat seine Ursprünge in den christlichen Vorstellungen des Mittelalters – Ohne Fastenzeit nicht denkbar

Bis in unsere Tage galt die Fastnacht als urgermanisches Fest. Inzwischen belegen wissenschaftliche Arbeiten, dass sie ihre Popularität christlichen Ideen verdankt. Der Karneval ist demnach kein vorchristliches Frühlingsfest, sondern ein aus dem Kirchenjahr entstandenes Brauchtum. Ohne die Fastenzeit, welche die Christen bis heute als Zeit der Einkehr und Buße verstehen, wäre die Fastnacht undenkbar.

Fast hinter allen närrischen Aktionen stecken mittelalterliche Ideen. Wer im späten Mittelalter mit einem Spiegel dargestellt wurde, so sind sich die Volkskundler heute sicher, galt als verblendet, als blind gegenüber Gott. Fast noch wichtiger waren die Schellen, die viele Narren bis heute an ihren Kostümen oder wie im rheinischen Karneval an der Spitze ihrer bunten Kappen tragen. Die Schellen sollen an den ersten Korintherbrief des Apostels Paulus erinnern. „Selbst wenn ich in Engelszungen redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich wie ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle“, heißt es dort.

Während den gottesfürchtigen Menschen die christliche Nächstenliebe auszeichnete, galt der Narr als triebhafter Lüstling. Zahllose Kupferstiche und Holzschnitte stellten ihn als Gefangenen seiner eigenen Lust dar, als Verführer oder Verführten.

Weil nach damaliger Ansicht das Böse durch den Sündenfall in die Welt gelangte, war es logisch, Adams Frau Eva, von der die Erbsünde ausgegangen sein soll, zur Urmutter aller Narren zu machen. Sieben Kinder hat diese Narrenmutter zumeist, die auf Stichen und Gemälden des 15. und 16. Jahrhunderts auftauchen. Es sind die sieben Todsünden, die in den Narrenkindern Gestalt gewinnen. In der Schweizer Stadt Zug ist die Narrenmutter mit ihren Kindern noch heute zu Fastnacht unterwegs. Theologische Grundmuster finden sich auch im Schweizer Klosterdorf Einsiedeln, wo die Narren große Mengen Brot achtlos unter die Leute werfen.

Mit heidnischem Fruchtbarkeitszauber aber, wie die Einheimischen ihren Brauch gern erklären, hat das nichts zu tun. Denn was sich an Fastnacht in den Gassen in Einsiedeln abspielt, ist das Gegenstück zur Austeilung der heiligen Kommunion, der bildhafte Ausdruck der Gottesleugnung durch den Narren.

Nicht zu übersehen sind die christlichen Bezüge auch bei dem Brauch des Pflugziehens, der in zahlreichen Orten zwischen Donau und Bodensee zu Hause ist. Ackerleute ziehen dort zu Fastnacht mit Pflug und Egge durch die Straßen, begleitet von bäuerlichen Gestalten, die Samen auswerfen. Diese Aktionen erinnern an das Matthäusevangelium, wo vom guten Samen die Rede ist. Daneben beziehen sie sich auf ein Pauluswort im ersten Korintherbrief: „Du Narr, was du säest, wird nicht lebendig, wenn es nicht zuvor starb.“ Das heißt: Die Konsequenz der Narrheit ist der Tod. Wer das ewige Leben sucht, muss die Narrheit überwinden.Wolfgang Wirt

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