Hoffnung auf eine bessere Zukunft

Christen im Westjordanland fördern Kinder aus muslimischen Familien – Projekt finanziert über Spenden

Er ist selbst ein „Kind“ der christlichen Gemeinde von Beit Jala: Mohammed (rechts) mit Schülern in „Abrahams Zelt“. Foto: pv

Fröhlicher Morgen nach der Andacht bei bestem Wetter auf dem See Genezareth: Frauen der Leserreise, darunter zwei Pfarrerinnen und zwei Theologiestudentinnen. Foto: mez

Im wirtschaftlich schwachen Westjordanland haben es Kinder besonders schwer. Nahe Beit Jala erhalten muslimische Schulkinder Hilfe von benachbarten Christen. Das Schulprojekt „Abrahams Zelt“ soll beim Start in ein besseres Leben helfen. Vor wenigen Tagen haben Leserinnen und Leser des KIRCHENBOTEN auf einer Palästina-Reise (siehe unten) das Projekt besucht.

Wenn Mohammed „Abrahams Zelt“ besucht, führt der Weg an Bauruinen, geschlossenen Geschäften und rostenden Autowracks am Straßenrand vorbei. Die Gegend östlich von Bethlehem in Richtung Judäische Wüste wird spürbar ärmer. Im 15 000-Einwohner-Ort Al Ubiedjyeh angekommen, wird Mohammed sofort von Kindern umringt und freudig begrüßt. Ein niedriger Gebäudekomplex aus hellem Kalkstein ist „Abrahams Zelt“ – ein Projekt für palästinensische Schulkinder.

Wenig später sitzen die Mädchen und Jungen in getrennten Räumen hinter ihren Tischen. Die Mädchen singen mit strahlenden Augen und kräftigen Stimmen mit ihrem Lehrer palästinensische Kinderlieder. Mohammed schaut noch mal bei den Jungen vorbei. „Wisst ihr, wie ich heiße?“, ruft er ihnen zu. „Mohammed“, rufen sie zurück. „Und wer von euch heißt auch Mohammed?“ Von den gut 20 Jungen recken 15 ihre Arme nach oben. Sie brechen in Lachen aus.

Die Kinder in diesem armen Landstrich lachen zu hören, ist für Mohammed Fararge immer wieder ein Ansporn. Der 34-jährige Muslim gehört zu dem kirchlichen Gästehaus „Abrahams Herberge“ im etwa zehn Kilometer entfernt gelegenen Beit Jala, das auch „Abrahams Zelt“ betreut. Seit Jahresbeginn erhalten in dem Projekt 30 Mädchen und 30 Jungen an sechs Tagen in der Woche nach der Schule Nachhilfe und Essen. Finanziert wird „Abrahams Zelt“ über Spenden, die überwiegend von deutschen Kirchen und Gemeinden kommen. „Die Kinder sind sehr motiviert und interessiert“, erzählt Jamal Issawi. „Unser Ziel ist, dass sie bessere Startchancen bekommen.“ In den ländlichen palästinensischen Gebieten haben die Eltern kaum Schulbildung. Ihren Kindern können sie daher bei den Hausaufgaben nicht helfen. Dafür engagieren sich Issawi und seine Kollegen in ihrer Freizeit. Issawi, der Englisch unterrichtet, arbeitet am Vormittag an einer öffentlichen Schule. Ab Mittag betreut er gemeinsam mit zwei Kollegen die Kinder im Alter von acht bis elf Jahren in dem Kirchenprojekt.

Dass Christen ihren muslimischen Nachbarn helfen, gehört zur Philosophie von „Abrahams Herberge“. Das Gästehaus neben der Kirche wurde im Jahr 2003 von der evangelisch-lutherischen Kirche der Reformation in Beit Jala nahe Bethlehem errichtet und war als Begegnungsstätte für Muslime, Christen und Juden geplant. Heute wird es von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und dem Heiligen Land getragen. Abraham wurde als Symbol gewählt, weil er als Stammvater von Juden, Christen und Muslimen gilt.

Mohammed kennt die Verhältnisse, in denen viele palästinensische Kinder aufwachsen: Mit 14 Geschwistern lebte er in der Flüchtlingssiedlung am Rande Beit Jalas. Mit sieben Jahren kam er in das Jungeninternat der evangelisch-lutherischen Kirche der Reformation in Beit Jala. Mithilfe der Gemeinde und des Pfarrers konnte er die Schule besuchen und später studieren. Heute ist der 34-Jährige Assistent des Hoteldirektors der „Abrahams Herberge“.

„Die Kinder finden in Abrahams Zelt einen Platz der Geborgenheit, des Miteinanders, des Lernens und Förderns“, erklärt der Journalist Peter Burghold, der für Öffentlichkeitsarbeit und Marketing der „Abrahams Herberge“ zuständig ist. Das Schulprojekt war ursprünglich im Jahr 2008 gestartet worden, 2011 musste es aus finanziellen Gründen vorübergehend eingestellt werden. Begonnen hatte das Projekt damals tatsächlich in einem großen Zelt, im Flüchtlingslager „Dheischa Camp“ in der Nähe von Hebron. Rund 1500 Euro kostet das Hilfsprojekt pro Monat. Holger Spierig

Spendenkonto „Abrahams Zelt“, Evangelisch-reformierte Kirche Hamburg: Evangelische Bank, IBAN: DE58 5206 0410 0006 4088 18, BIC: GENODE­F1EK1, www.abrahams-herberge.de

Palästina verstehen lernen

Eine kleine Reisegruppe des KIRCHENBOTEN war an den hohen jüdischen und christlich-orthodoxen Feiertagen (Pessach und Ostern) in Israel und Palästina unterwegs: im Kloster der Karmeliterinnen oberhalb von Haifa, auf dem See Genezareth und seinen „Heiligen Stätten“, in Qumran, Masada und am Toten Meer – vor allem aber in der „Abrahams Herberge“, dem Begegnungszentrum und Hotel der lutherischen Gemeinde von Beit Jala als Standort für die Ausflüge nach Jerusalem und Palästina.

Das war ein einwöchiger Versuch, Palästina zu verstehen, der im Oktober des nächsten Jahres mit einem leicht veränderten Programm wiederholt werden soll. Das waren viele Eindrücke jüdischen, christlichen und muslimischen Lebens in einer kulturell faszinierenden und politisch geschundenen Region. Das waren ebenso unvergessliche wie anstrengende Tagesprogramme. Das waren aber auch eindringliche Gespräche an den Abenden: mit dem Leiter der Begegnungsstätte, mit dem Pfarrer der Gemeinde, mit christlichen und muslimischen Palästinensern und mit dem Imam.

Die Reisegruppe von 14 Personen war für die Teilnehmer optimal, ist aber angesichts der rund 50 000 Leser des KIRCHENBOTEN sicherlich noch steigerungsfähig. Hartmut Metzger, Chefredakteur und Begleiter der Reise

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