Schuld gegenüber den Juden betont

Landessynode diskutiert über neues Handbuch zur NS-Geschichte der Landeskirche und plant Resolution

Diskussionsstoff für die Synode: Das neue Handbuch zur NS-Geschichte. Foto: Landry

Die Kandidaten für die Oberkirchenratswahl (v.l.): Steffen Jung, Michael Löffler, Martin Schuck und Marianne Wagner.

Mit der Veröffentlichung eines zweibändigen Handbuchs hat die pfälzische Landeskirche ihre Verstrickungen in das NS-Regime weiter aufgearbeitet. Bei ihrer Frühjahrstagung in Bad Dürkheim will die Landessynode einen Tag lang über das Werk diskutieren und eine Resolution verabschieden.

Seit den 1980er Jahren habe sich die Landeskirche verstärkt ihrer Mitschuld an der Hitler-Diktatur und ihrer Mitverantwortung am Judenmord gestellt, macht der Pressesprecher, Kirchenrat Wolfgang Schumacher, deutlich. Schon bald nach Kriegsende übte die pfälzische Kirche öffentlich Selbstkritik an ihrer tragenden Rolle im Nationalsozialismus. Anlass war das „Wort zur Judenfrage“ der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland in Berlin-Weißensee vom 27. April 1950. Erstmals gestand die evangelische Kirche eine Mitschuld am „Frevel“ an den Juden ein. Im Juni 1950 bekannte die pfälzische Landessynode: „Wir haben durch die Auszüge aus den Kirchenbüchern dem Dritten Reich das Material zur Durchführung seiner Ariergesetzgebung gegeben.“

In den Folgejahren habe sich die Auseinandersetzung der Landeskirche mit der eigenen Geschichte auf das Verhältnis zum Judentum konzentriert, berichtet der Mitherausgeber des NS-Handbuchs, Akademiedirektor Christoph Picker. 1984 ergriff der Jurist Hans Reichrath vom landeskirchlichen Arbeitskreis Kirche und Judentum die Initiative zu einer Änderung der Kirchenverfassung. Darin sollte „unser besonderes Verhältnis zum Judentum als verpflichtende Verantwortung zum Ausdruck gebracht“ werden. Im Mai 1990 widmete sich eine Schwerpunktsynode dem Thema „Kirche und Judentum“. Ein Meilenstein im Verhältnis der Landeskirche zum Judentum war die Ergänzung der Kirchenverfassung im Jahr 1995. In ihr werden die „Versöhnung mit dem jüdischen Volk“ und der Kampf gegen „jede Form von Judenfeindschaft“ als verbindliche Aufgaben der Kirche festgehalten.

Nicht nur gegenüber dem Judentum, auch in anderen Bereichen müsse sich die Landeskirche der Verantwortungsfrage weiter stellen, sagt Picker. Die geplante Resolution der Synode sollte auch Stellung nehmen zu anderen Ergebnissen des Handbuchs, etwa zur kirchlichen Streitkultur oder zur Meinungsvielfalt. Der Vorsitzende des Arbeitskreises Kirche und Judentum, Pfarrer Stefan Meißner, erhofft sich durch die Resolution ein verpflichtendes Schuldbekenntnis für die Landeskirche: Die Landeskirche habe eine bleibende Verantwortung gegenüber dem Judentum, erinnert Meißner: „Deshalb müssen wir jeder Form von Judenfeindschaft mutig entgegentreten, auch in unseren eigenen Kreisen.“ all

Geschichte und Personal im Blick

Die Evangelische Kirche der Pfalz im Nationalsozialismus ist das Schwerpunktthema auf der Frühjahrstagung der pfälzischen Landessynode vom 1. bis 4. Juni in Bad Dürkheim. Das kürzlich erschienene zweibändige Handbuch „Protestanten ohne Protest“ soll die Grundlage für die Diskussionen in der Synode und für eine Resolution sein. Weiterhin stehen Wahlen und zahlreiche Berichte auf der Tagesordnung.

Im zweiten Anlauf will die Synode einen Nachfolger für den in Ruhestand gehenden Personaldezernenten, Oberkirchenrat Gottfried Müller, wählen. Dieses Mal treten vier Bewerber an. Im November war die Wahl gescheitert. Weder der Neustadter Dekan Armin Jung noch der Speyerer Pfarrer Martin Schuck erhielten ausreichend Stimmen. Durch Müllers Ausscheiden wird auch das Amt des Stellvertretenden Kirchenpräsidenten frei. Der synodale Nominierungsausschuss werde einen Vorschlag unterbreiten, sagte der Pressesprecher der Landeskirche, Wolfgang Schumacher. Der Ausschuss habe alle geistlichen und weltlichen Oberkirchenräte gefragt, ob sie kandidieren wollen. Seit vielen Jahren ist es üblich, dass der dienstälteste geistliche Oberkirchenrat Stellvertreter des Kirchenpräsidenten wird. Das wäre derzeit Oberkirchenrat Manfred Sutter. Es sei allerdings weder vorgeschrieben, dass es ein geistlicher Oberkirchenrat sei, noch dass der dienstälteste das Amt innehabe, sagte Schumacher.

Die Landessynode wird sich außerdem mit dem Bericht von Kirchenpräsident Christian Schad und der gesamtkirchlichen Dienste beschäftigen. Ein weiteres Thema ist die mittelfristige Finanzplanung der Landeskirche für die Haushaltsjahre 2018 bis 2022. koc

Vier Kandidaten bewerben sich um die Nachfolge von Müller

Zweiter Anlauf zur Wahl eines Oberkirchenrats – Eine Frau und drei Männer treten an – Ein Bewerber kommt aus der badischen Landeskirche

Die Landessynode nimmt einen zweiten Anlauf zur Wahl eines Nachfolgers von Oberkirchenrat Gottfried Müller, der für das theologische Personal zuständig ist. Im Herbst scheiterte die Wahl, da weder der Neustadter Dekan Armin Jung noch der Speyerer Pfarrer Martin Schuck eine Mehrheit bekamen. Nun treten vier Kandidaten an.

Er habe sowohl als Landesjugendpfarrer als auch als Direktor des evangelischen Trifelsgymnasiums viel mit Personalplanung zu tun gehabt, sagt Steffen Jung. Der 55-Jährige hat in den vergangenen Jahren auch an den Strukturreformen der Landeskirche mitgewirkt. Um die christliche Sache in der Gesellschaft umsetzen zu können, bedürfe es einer funktionierenden Kommunikation in der Kirche und eines attraktiven Berufsbilds des Pfarrers, sagt Jung.

Als einziger Bewerber kommt Michael Löffler nicht aus der Pfalz. Der 52-Jährige leitet die Abteilung Personalförderung der badischen Landeskirche. Mit Interesse verfolge er die Strukturreformen der pfälzischen Landeskirche, sagt er. Diese müssten nun durch eine Personalentwicklung ergänzt werden. Die ehrenamtlich und hauptamtlich Tätigen seien entscheidend, um Nachwuchs für die Kirche zu begeistern. Für Löffler ist daher die Gemeinde der entscheidende Ort für Kirche. Weitere Strukturen müssten dienende Funktionen haben.

Der Leiter des Verlagshauses Speyer, Martin Schuck, tritt zum zweiten Mal an. Nach der gescheiterten Wahl sei die Sache für ihn nicht abgeschlossen, sagt der 54-Jährige. Er wolle dafür sorgen, dass kleine Gemeinden lebensfähig bleiben und pastoral versorgt werden. Hierfür wolle er einen Verkündigungspool von Ehrenamtlichen und Ruhestandspfarrern schaffen. Schuck ist dagegen, Gemeinden zu Fusionen zu zwingen.

Die Leiterin des Amts für Weltmission, Marianne Wagner, will ihre internationale Erfahrung einbringen. Weltweit gebe es Kirchen, die zu 50 Prozent von Ehrenamtlichen getragen werden, sagt die 54-Jährige. Die Landeskirche sei demgegenüber noch stark Pfarrerkirche. Die Kirche dürfe sich nicht von Strukturdebatten gefangen nehmen lassen, sondern müsse Erprobungsräume schaffen und im Vertrauen auf Gott und das Gebet Neues wagen. koc

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