Essinger Glocken stehen bald vor Gericht

Nachbar klagt gegen Stundenschlag im protestantischen Kirchturm – Zunächst Güteverhandlung geplant

Essinger Kirchturm: 300 Unterschriften für Stundenschlag gesammelt. Foto: Iversen

Wieder wird in der Pfalz um das Läuten von Kirchenglocken gestritten – diesmal in Essingen. Ein Anwohner, der in 20 Metern Entfernung zur protestantischen Kirche lebt, hat Klage gegen die Kirchengemeinde erhoben, teilt Pfarrer Richard Hackländer mit. Die Klage beziehe sich auf das Stundengeläut am Tag, für das eigentlich die Kommune verantwortlich ist. Da die Glocken aber Eigentum der Kirchengemeinde sind, sei die Klage gegen sie gerichtet. Der Kläger fordere die Abschaltung des Stundenschlags oder entsprechende Lärmschutzmaßnahmen.

Eine Güteverhandlung am Amtsgericht Landau soll Ende Februar zunächst in den Streitfall einführen, erklärt Stefan Beck, Rechtsanwalt der Kirchengemeinde Essingen. Nach Auffassung der Beklagten und des Anwalts ist die Klage unbegründet. Der Kläger, ein Architekt, sei selbst mit einem Anbau in Richtung der Kirche gerückt und könne sich laut Beck dann nicht plötzlich über größeren Lärm beschweren.

Zudem sei die Kirchengemeinde dem Kläger schon sehr entgegengekommen, berichtet Hackländer. „Unser liturgisches Geläut haben wir bereits verkürzt, und der Stundenschlag ist nachts auch ausgeschaltet“, sagt der Theologe. Der Glockenturm sei zur Seite des Nachbarn hin vollständig verschlossen. Ein unabhängiges Lärmgutachten vor dem Gerichtstermin habe der Kläger nicht mittragen und auch nicht zur Grundlage der Verhandlungen machen wollen. Es sei also auch noch nicht geklärt, ob der Stundenschlag nach dem Bundesimissionsschutzgesetz zu laut ist.

„Ich verstehe teilweise mein eigenes Wort nicht mehr“, beschwert sich Jürgen Pils. In seiner Arbeit und im Privatleben fühle sich der Architekt seit Jahren gestört. Bis zu 80 Dezibel habe er schon in seinem Wohnzimmer gemessen. Laut Gesetz sind tagsüber 60 Dezibel erlaubt. Einzelne kurze Geräusch­spitzen, zum Beispiel Glockenschläge, dürften die Lärmgrenze um bis zu 20 Dezibel überschreiten. „Täglich mehr als 300 Schläge halte ich aber nicht für kurze Geräuschspitzen“, befindet Pils.

In Rücksprache mit Hackländer und dem damaligen Ortsbürgermeister, Hartmut Doppler, sei der Stundenschlag vor einigen Jahren dann auch tagsüber abgeschaltet worden. Diese Vereinbarung sei laut Pils sogar schriftlich mit Pfarrer Hackländer fixiert worden – woran sich dieser allerdings nicht erinnert. Auf Grund einer Unterschriftensammlung mit 300 Unterzeichnern sei der Stundenschlag nach anderthalb Jahren ohne Rücksprache mit dem Architekten wieder angestellt worden. „Da habe ich mich hinters Licht geführt gefühlt und sah daher eine Klage als einzigen Ausweg“, sagt Pils.

Laut Birgit Müller, der Glockensachverständigen der Landeskirche, gehöre der Stundenschlag zum Lebensrhythmus eines Dorfes. Gerade ältere Menschen achteten auf den Schlag, bräuchten ihn gar für einen ruhigen Schlaf. „Ich lebe auch direkt an einer Kirche und habe mich schnell daran gewöhnt“, sagt Müller. Verständnis sollte es gegenüber direkten Nachbarn trotzdem geben. Beide Seiten sollten Kompromisse eingehen. Charlotte Seeger

Meistgelesene Artikel