Mit Wissensdurst und dem Streben nach Gerechtigkeit

Der Historiker und Landessynodale Roland Paul geht in den Ruhestand – Die Geschichte der Pfalz und ihrer jüdischen Bevölkerung erforscht

Mann mit Mission: Roland Paul wirbt bei Jugendlichen für ein friedvolles Zusammenleben von Kulturen und Religionen. Foto: BV

Wer mit wem in der Pfalz verwandt ist, und wer wann und wohin ausgewandert ist: Roland Paul weiß sicher etwas darüber zu sagen. Der 65-Jährige ist ein wandelndes Lexikon der spannenden Migrationsgeschichte der Pfalz. Vor allem mit der Geschichte der jüdischen Bevölkerung in der Region und ihrer Verfolgung durch die Nationalsozialisten beschäftigt sich der Historiker und Volkskundler seit vielen Jahren. Am 31. Juli geht Roland Paul, der seit 2012 an der Spitze des Instituts für pfälzische Geschichte und Volkskunde in Kaiserslautern steht, in den Ruhestand.

Der gebürtige Landstuhler, der in Steinwenden im Landkreis Kaiserslautern lebt, ist ein umfassend gebildeter Tausendsassa: Er ist ein unermüdlicher Heimatforscher im besten Wortsinne, hat eine fast unüberschaubare Zahl an wissenschaftlichen Beiträgen in Büchern, Zeitschriften und Ortschroniken veröffentlicht. In zahlreichen Arbeitskreisen und Vereinen ist er Mitglied, unter anderem leitet er den Vorsitz der Bezirksgruppe Kaiserslautern im Historischen Verein der Pfalz. Seit 2003 ist Paul, der Geschichte und Volkskunde studierte, zudem Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche der Pfalz.

Wiederholt war Paul Gastdozent in den USA, an der Technischen Universität Kaiserslautern hat er einen Lehrauftrag. Die Migrationsdatei des Instituts für pfälzische Geschichte und Volkskunde mit ihren rund 300 000 Blättern erweiterte er mit seinen Recherchen. Ungezählt sind auch Pauls Vorträge, in denen er im In- und Ausland über seine Themen spricht: Neben der Auswanderung der Pfälzer im 18. und 19. Jahrhundert nach Nord- und Südamerika und in den Osten und Südosten Europas sind das die liberale Bewegung im 19. Jahrhundert, die Hausforschung und immer wieder – die wechselvolle Geschichte der Juden. Schon als Jugendlicher lief Roland Paul gegen Mauern, als er zu fragen begann, was eigentlich während des Hitler-Regimes in Deutschland mit all den Juden in der Nachbarschaft passierte.

Statt Antworten erhielt er vom Vater den Rat, die Toten besser ruhen zu lassen. Dies habe seinen Wissensdurst erst richtig angestachelt, erinnert sich Paul. Bis heute würden viele das Thema Verfolgung der Juden und den Holocaust am liebsten ein für allemal deckeln, weiß er: „Das Thema endet aber nie.“ Immer wieder sucht Roland Paul das Gespräch mit jungen Leuten, besucht Schulklassen, reist mit ihnen etwa in die frühere KZ-Gedenkstätte Gurs in Südfrankreich. Wenn er eine persönliche Mission hat, dann diese: an die vielen ehemaligen Mitbürger jüdischen Glaubens zu erinnern, die aus dem Land flüchten mussten oder ermordet wurden – wie etwa Gretl Drexler aus Landau, die 1942 in Auschwitz umkam. Viele in der NS-Zeit geflüchtete Juden oder deren Nachkommen in den USA, Frankreich, Deutschland und anderen Ländern hat er getroffen und steht mit ihnen in Kontakt.

Eine blühende Erinnerungskultur sei vor allem für junge Menschen wichtig, die Krieg, Verfolgung oder Vertreibung nicht erlebt haben, sagt Paul. Dabei gehe es nicht darum, bei ihnen Schuldgefühle zu erzeugen. Das Gespräch mit Zeitzeugen könne aber „Betroffenheit erzeugen“, sagt er. Auch heute würden Menschen diskriminiert, weil sie „anders“ seien – weil sie aus einem anderen Land kämen, einer anderen Religion angehörten oder das andere Geschlecht liebten. „Die Begegnung kann die Sichtweise ändern“, ist er überzeugt.

Einen wirklichen Ruhestand will sich der umtriebige Pfalzforscher nicht gönnen: Derzeit arbeitet er unter anderem an einer Publikation über die nach Gurs deportierten Juden aus der Pfalz. Für seine Heimatgemeinde Steinwenden will er die Ortschronik schreiben. „Ein, zwei Tage in der Woche“ will er künftig weiter über die pfälzischen Juden forschen: in einer neuen Forschungsstelle seines Instituts, die an der Pfalzakademie des Bezirksverbands Pfalz in Lambrecht angesiedelt ist. Alexander Lang

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