Ein Pfarrerssohn mit Gespür für strategisches Denken

Oberkirchenrat Gottfried Müller geht in den kirchlichen Ruhestand – Das medienpolitische Engagement beim Südwestrundfunk führt er fort

Konstituierende Sitzung des SWR-Rundfunkrats: Oberkirchenrat Gottfried Müller (links) leitet das Gremium seit Juli 2015. Foto: SWR

„Das sind Dinge, die kannst du nicht planen“, sagt Oberkirchenrat Gottfried Müller, wenn er auf seine landeskirchliche und medienpolitische Laufbahn zurückblickt. Sein kirchlicher Dienst geht in diesen Tagen zu Ende. Sein medienpolitisches Engagement als Vorsitzender des Rundfunkrats des Südwestrundfunks, zu dem ihn die 74 Mitglieder aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz im Juli vergangenen Jahres wählten, dauert an. Am Sonntag, 4. September, um 14 Uhr wird Gottfried Müller als Oberkirchenrat in der Gedächtniskirche in Speyer verabschiedet und seine Nachfolgerin Marianne Wagner als erste theologische Oberkirchenrätin der pfälzischen Landeskirche begrüßt.

Gottfried Müller, als Sohn des gleichnamigen pfälzischen Pfarrers am 8. Juni 1951 in Landstuhl geboren, hatte bereits früh ein feines Gespür für das strategische Denken. Die berufliche Laufbahn war dann doch von nicht absehbaren Zufällen bestimmt. 1990 war das Amt des Dekans in Neustadt vakant. Als 39-jähriger Pfarrer wurde Müller damals in die Landessynode und als Vertreter des Kirchlich-Theologischen-Arbeitskreises in die Kirchenregierung gewählt. Ab 1997 vertrat er die Landeskirche in der EKD-Synode, bevor er im Herbst 1998 gemeinsam mit dem heutigen Kirchenpräsidenten Christian Schad zum Oberkirchenrat gewählt wurde. Sein Stellvertreter ist Müller, in dieser Funktion folgt ihm Oberkirchenrat Michael Gärtner nach.

Gottfried Müller hat eine typische Pfarrhausbiografie: zwei ältere und zwei jüngere Schwestern sowie ein jüngerer Bruder, 1970 Abitur im altsprachlichen Gymnasium. „Studium der Theologie oder nicht doch lieber der Physik?“ Sein Religionslehrer, der spätere Oberkirchenrat Heinz Kronauer, gab den Ausschlag. Müller studierte in Basel, Marburg und Heidelberg, bei seinem Vater war er Vikar. In den Jahren von 1977 bis 1986 war Müller Pfarrer in Elmstein, von 1986 bis 1998 Bezirksbeauftragter für den Religionsunterricht in Neustadt. Seit 1999 gehört er nun bis zum Ende dieses Monats dem sechsköpfigen Kollegium des protestantischen Landeskirchenrats in Speyer an.

Als Oberkirchenrat genießt Müller hohes Ansehen. Er gilt als kluger Kopf. Von Anfang an prägte die Lust auf „Perspektivsachen“ die Tätigkeit des theologischen Personaldezernenten, der zunächst aber für die rund 500 aktiven Pfarrerinnen und Pfarrer der Landeskirche zuständig ist. Ihm ging es dabei vor allem darum, die persönliche Motivation seiner Kollegen im Gemeinde- und im Schuldienst zu erhalten. Mit einiger Erleichterung kann er heute sagen: „Es gab familiäre und persönliche Konflikte, aber von den Fällen sexueller Gewalt blieben wir verschont.“

Seine Zeit als Oberkirchenrat und Personaldezernent ist vom Interesse an „strategischen Linien“ geprägt. Es ging um das Offenhalten eines Einstellungskorridors für junge Theologen, um den Teildienst und die Funktion von Pfarrerinnen und Pfarrern zur Dienstleistung sowie um den Ausstieg aus dem bisherigen Zulagenwesen. Auch die Koppelung von dem funktionalen Dienst in Sonderpfarrämtern und einem höheren Gehalt wurde abgeschafft. Vor allem aber ist es ihm gelungen, die Zahl der Kirchenbezirke von ursprünglich 20 auf 16 abzusenken. Und bei diesem Ansinnen hat sich schon so mancher Vorgänger eine Tracht Prügel abgeholt.

Als unglaublich spannend bezeichnet Gottfried Müller die Medienpolitik, der er sich über seinen Eintritt in den Ruhestand hinaus verschrieben hat. Seit Juli 2015 ist er Chef des SWR-Rundfunkrats, wohin ihn die evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz 2002 entsandten. Der Rundfunkrat vertritt die Interessen der Öffentlichkeit, überwacht die Einhaltung der Programmgrundsätze und genehmigt den Haushaltsplan. Die Amtszeit des Gremiums beträgt fünf Jahre. Als Vorsitzender ist Müller auf die Dauer von 30 Monaten gewählt. Wenn ihn der Rat dann nochmals wählen sollte, hätte er wohl nichts dagegen. Gottfried Müller ist seit 20 Jahren verheiratet, hat zwei Töchter im Alter von 19 und 17 Jahren. Er sagt: „Ich wäre dann 69, ein gutes Alter, um endlich aufzuhören.“ Hartmut Metzger

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