Ein barocker Kanzelaltar entzweit eine Kirchengemeinde

Kritiker befürchten Platznot für die Kirchenmusik in der Bad Dürkheimer Schlosskirche – Dekanin: Müssen uns um Kulturdenkmal kümmern

Altar des Anstoßes: So sah es fast 250 Jahre in der Schlosskirche aus. Foto: Archiv

Blick in den Innenraum der Schlosskirche, wie er heute aussieht. Foto: Franck

Es war vor vier Jahren, als die Speyerer Diakonissenanstalt in Bad Dürkheim anrief und die Gemeinde bat, ihren Altar abzuholen, der auf dem Dachboden des Werkhofs herumstehe. Der Platz werde gebraucht. „Wir brauchen keinen Altar, wir haben einen“, hatte Dekanin Ulla Hoffmann zunächst gesagt. Doch schnell wurde klar, dass es sich um den über 35 Jahre zuvor entfernten Kanzel­altar handelt, den die Gemeinde so gut wie vergessen hatte. Also wurde das gute Stück abgeholt und einer Restauratorin zur Begutachtung übergeben.

Denkmalschützer überschlugen sich bald vor Freude über das wiedergefundene Stück, das 1730 nach einem Brand in die Schlosskirche eingebaut worden war, gestiftet vom Leininger Adelsgeschlecht, dem die Kirche als Grablege diente. Ein bedeutendes Kunstwerk für ganz Südwestdeutschland sei es, eines der seltenen Beispiele barocker Kunst im Protestantismus, ein herausragendes Beispiel der starken lutherischen Tradition in der Kurstadt.

Damit war klar: Einfach wieder wegschließen konnte man das wertvolle Stück nicht. „Ich hätte den Altar nicht gebraucht“, sagt Ulla Hoffmann. Aber er gehöre der Gemeinde, und die Kirche habe die Pflicht, sich um ihre Kulturdenkmäler zu kümmern. Deshalb sammelt sie für die Renovierung Geld. Etwa 100 000 Euro soll das kosten. Die Landesdenkmalbehörde gibt 15 000 Euro, die Landeskirche 20 000 und die Stiftung Denkmalschutz 35 000 Euro.

Doch genau dieser Geldfluss alarmierte eine Gruppe, die sich „Freunde der Schlosskirche“ nennt und der Kirchenmusik nahesteht. Die Freunde vermuten, dass das Geld nur fließe, weil schon beschlossen sei, dass der Altar wieder in die Schlosskirche komme. Und in die im frühgotischen Stil erbaute Kirche, so die Bedenken, passe er stilistisch nicht hinein, verdüstere die helle, moderne Anmutung des Raums und – vor allem – nehme der weithin anerkannten Kirchenmusik den Platz im Altarraum weg.

„Wir waren alle froh, als das alte Ding weg war“, sagt Klaus Anicker, einer der Freunde der Schlosskirche. Er war in den 1970er Jahren dabei, als das Presbyterium beschloss, die Kirche innen zu sanieren. Allerdings, so Anicker, habe man damals geglaubt, der Altar bekomme ein schönes Plätzchen in einem Museum und werde nicht auf einem Dachboden entsorgt.

Dekanin Hoffmann versichert immer wieder, dass die Kirchenmusik durch den barocken Altar nicht in Gefahr sei. Doch aus kaum nachvollziehbaren Gründen ist die Stimmung zwischen Kirchenmusik und Schlosskirchenpresbyterium seit vielen Jahren nicht gut. Auch deshalb eskalierte der Streit immer mehr: Es gab offene Briefe, Leserbriefe in der lokalen Zeitung, geheime Sitzungen, Gemeindeversammlungen mit Buh-Rufen, anklagende Kanzelabkündigungen und nicht zuletzt eine Unterschriftenliste der Altargegner.

Ein Ende des Konflikts ist also nicht in Sicht. Dekanin Hoffmann will zunächst dafür sorgen, dass der Altar des Anstoßes saniert wird. Danach schwebt ihr ein Konzept für eine erneute Innensanierung der Schlosskirche vor, die auch liturgisch ein Problem sei, weil ein Mittelgang fehle und Trauungen daher schwierig seien. Alle Bedürfnisse, von Kirchenmusik über Jugendarbeit, energetische Optimierung, Tontechnik und Beleuchtung sollen dabei berücksichtigt werden. Und mittels eines Architektenwettbewerbs sollen die Chancen für den Kanzelaltar ausgelotet werden.

Doch mit diesem Konzept hat Hoffmann nichts mehr zu tun. Sie geht zum Jahresende in den Ruhestand, der Kirchenbezirk Bad Dürkheim wird mit dem Bezirk Grünstadt zusammengelegt. Nachfolger Hoffmanns wird der Grünstadter Dekan Stefan Kuntz. Der wird zwar jetzt schon häufig auf den Konflikt angesprochen, sagt aber nichts dazu. 2017 wird auch ein neuer hauptamtlicher Kirchenmusiker im Dekanat seinen Dienst aufnehmen. Vielleicht können die beiden „Neuen“ den Streit ja beilegen. Doch das Dilemma bleibt groß. Auf dem Bad Dürkheimer Wurstmarkt, wo die Angelegenheit selbstverständlich ausgiebig verhandelt wurde, brachte es ein Bad Dürkheimer Politiker auf den Punkt: „Das Ding ist sehr wertvoll und kunsthistorisch bedeutsam. Aber es ist auch hässlich und passt nicht in die Kirche.“ Klaus Koch

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