Im fröhlichen Stimmgalopp durch den Stiftskirchensaal

Die Mitglieder des gemischten Seniorenchors Ü65 treffen sich einmal monatlich in Kaiserslautern zur Probe – Pause mit Kaffee und Kuchen

Bei der Probe im Stiftskirchensaal in Kaiserslautern: Beate Stinski-Bergmann mit den Frauen und Männern des Chors Ü65. Foto: view

„Jujaaa, jujaaa, gar lustig ist die Jägerei …“ Im fröhlichen Stimmgalopp lassen zwölf Frauen und sechs Männer den Jäger aus Kurpfalz durch den gläsernen Anbau der Stiftskirche in Kaiserslautern reiten. „Heute fehlt ein Drittel wegen der Grippewelle“, bemerkt Bezirkskantorin Beate Stinski-Bergmann und ruft „jetzt noch einmal im Stehen“. Die Chorleiterin stimmt mit der linken Hand ihr Keyboard an, während sie gleichzeitig mit der Rechten den einzelnen Stimmen ihre Einsätze gibt.

Die Sängerinnen und Sänger des Seniorenchors Ü65 sind konzentriert bei der Sache. „Seufzen“, ermuntert Beate Stinski-Bergmann sie, als der letzte Ton verklungen ist. Mit einem tief ausatmenden „Aaah“ setzen sich die Chormitglieder entspannt und erleichtert wieder hin. „Atemübungen wie Seufzen, Ausatmen und Wachklopfen helfen beim Lockerwerden. Die Stimme wird im Alter etwas dunkler und ist nicht mehr so flexibel“, erklärt die Bezirkskantorin. Dass zwischen der jungen Chorleiterin und „ihren“ Senioren die Chemie stimmt, ist an diesem Nachmittag deutlich zu spüren.

Dem Alter der Sängerinnen und Sänger nach ist der Ü65-Chor der älteste von sieben Chören im Kirchenbezirk Kaiserslautern, als Chor jedoch ist er der jüngste: Gegründet wurde er erst vor gut einem Jahr. Etliche der jetzigen Mitglieder sangen damals schon bei Beate Stinski-Bergmann im ehemaligen Dekanatschor im Nachbarort Otterbach. Weiterer Zuwachs an Stimmen fand sich über eine Kleinanzeige in der Tageszeitung. „Ein Casting mit Vorsingen vor einer Jury haben wir aber nicht gemacht“, stellt die 44-jährige Bezirkskantorin klar. „Bei uns kann jeder mitmachen, die einzige Bedingung ist, dass man über 65 Jahre alt sein muss.“

„Wir wollten einfach bei unserer Chorleiterin bleiben“, sagt das ehemalige Otterbacher Chormitglied Helga Ullrich. Die 77-jährige frühere Berufsberaterin ist bei Ü65 seit Beginn dabei und so etwas wie die Chormutter, denn sie organisiert unter anderem etwas besonders Wichtiges: die Backliste für das Kuchenbüfett. Denn wer zu welchem Termin welche Sorte Kuchen backt für die gemeinsame Kaffeepause in den Proben, das ist mindestens so wichtig wie Notenblätter und Liedauswahl.

Nach einem letzten Durchlauf des Volkslieds „Horch was kommt von draußen rein“ rücken die Sänger ihre Stühle an die Tische im hinteren Teil des Saals und genießen zum Nachmittagskaffee Donauwellen, Bienenstich und Schwarzwälder Kirsch. Dabei wandert eine Grußkarte von Hand zu Hand: Sie ist für ein krankes Chormitglied vorgesehen. ­Alle unterschreiben.

Seit einem Jahr mit dabei ist Gisela Lymcker (74). Sie stammt aus Mainz und fühlt sich nicht zuletzt wegen des Chors wohl in Kaiserslautern: „Ich wurde sofort hier freundlich aufgenommen. Das gemeinsame Singen macht mir einen Riesenspaß.“ Mit 91 Jahren der Älteste ist Karl Aulenbacher. Der ehemalige Finanzbeamte leitete früher selbst einen Chor. In jungen Jahren war er Tenor, heute singt er Bass. „Die Lieder sind oft nicht wahr“, erklärt der Senior mit einem Lächeln im Augenwinkel, „das Leben ist nicht so lustig wie im Volkslied.“ Eine Art geistliche Heimat ist die neue Chorgemeinschaft für Rosalinde Armbrust geworden: „Zur Stiftskirche habe ich eine besondere Beziehung, ich wurde hier konfirmiert und getraut.“ Dass sie nun als Sängerin an diesen Ort zurückkehrt, empfindet sie als bereichernd.

Einmal im Monat ist dienstagnachmittags von 15 bis 17 Uhr Probe im Stiftskirchensaal, vor Auftritten wird sogar 14-tägig geprobt. Gesungen wird durchweg auf Deutsch, geistliches Repertoire und Volkslieder. Das Singen zur Kaffeestunde komme an, denn „die Senioren wollen meist abends nicht mehr aus dem Haus“, hat Bezirkskantorin Stinski-Bergmann beobachtet. Vier Mal im Jahr singt der Chor beim Sonntagsgottesdienst in der Stiftskirche. Die nächste Probe ist am 10. März um 15 Uhr im Stiftskirchensaal geplant. Wer über 65 Jahre alt ist und mitmachen möchte, erhält Informationen bei Beate Stinski-Bergmann unter Telefon 06 31 / 3 40 86 03. kag

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