Das Verhältnis zum Vater und „braunen“ Bürgermeister

Manfred Peters: Sohn des ehemaligen Bürgermeisters von Annweiler am Trifels arbeitet Familiengeschichte auf – Innerer Zwiespalt bis heute

Gegen das Vergessen: Manfred Peters vor dem Kessler-Fresko im Hohenstaufensaal, auf dem sein Vater abgebildet ist. Foto: VAN

Bis heute schmerzt es wie eine offene Wunde, wenn Manfred Peters über seinen Vater spricht. „Er war ein Nazi“, sagt der 82-jährige pensionierte Oberstudienrat aus Weisenheim am Berg unverblümt. Sein ganzes Leben lang trägt er an einem schwierigen Erbe: Sein Vater Fritz Peters war „brauner Bürgermeister“ von Annweiler und Landau. Der überzeugte NS-Parteifunktionär spielte eine wichtige Rolle bei den Planungen der Nationalsozialisten, die ehemalige Reichsburg Trifels zu einer nationalen Erinnerungsstätte auszubauen.

Noch immer arbeitet sich der ehemalige Grünstadter Musiklehrer an seinem Vater ab, an den er sich nur schemenhaft erinnern kann. Als dieser 1940 als Kriegsfreiwilliger an der Maginotlinie in Lothringen fiel, war Manfred Peters sechs Jahre alt. Zwiespältig ist sein Verhältnis zum Vater, der in einem Schreiben auch die Zwangssterilisierung eines geistig behinderten Mannes empfahl. Doch erst seit wenigen Jahren, nach dem Tod seiner Mutter, kann er über ihn und seine eigene innere Zerrissenheit reden. Lange Zeit hatte es Manfred Peters sprichwörtlich die Sprache verschlagen. Nach dem Kriegsende 1945 musste seine Familie unter Anfeindungen und materieller Not leiden, erzählt Peters. Der zuvor privilegierte Sohn wurde nun schikaniert, sogar verprügelt. Für den Jungen ein Trauma: „Ich konnte nicht mehr sprechen“, erzählt Manfred Peters.

Erst als Student baute er wieder ein Selbstwertgefühl auf, die Liebe zur Musik half ihm dabei. Manfred Peters war in den 1960er Jahren einer der besten Blockflötisten in Deutschland, gründete das international erfolgreiche Schülerensemble „Neue Musik“. Als er 1961 die Gebeine seines Vaters von ei­nem Soldatenfriedhof in einer Plastikschachtel nach Hause holte, habe er „das erste Mal um ihn geweint“, erzählt der promovierte Musikwissenschaftler.

Dennoch sollte es bis zum Jahr 2012 dauern, bis die späte Aufarbeitung begann. Der von Fritz Peters gebaute und von dem in Godramstein geborenen Kunstmaler Adolf Kessler (1890 bis 1974) ausgemalte Hohenstaufensaal in Annweiler wurde nach einer Modernisierung wiedereröffnet. Doch die Geschichte des denkmalgeschützten Gebäudes mit seinen Wandmalereien, die Szenen aus der Stauferzeit zeigen, sei verschwiegen worden, kritisiert Peters. Er begann, sich intensiv mit seinem Vater auseinanderzusetzen, recherchierte in Archiven, sprach mit Zeitzeugen.

Die von Kessler 1937 gestalteten Fresken spiegelten bis heute die nationalsozialistische Ideologie wieder, doch fehle eine Hinweistafel oder auch sonst eine Erläuterung, kritisiert Peters. Als Bürgermeister von Annweiler von 1935 bis 1939 habe Fritz Peters willig daran gearbeitet, die völkische Idee des Trifels als einer Trutzburg aller Deutschen umzusetzen: Er ließ die Burg renovieren, eine Straße errichten sowie den Hohenstaufensaal als Versammlungsort bauen.

Seinen toten Vater, der „keine Menschen umgebracht“, wohl aber eine verbrecherische Ideologie befördert habe, wolle er nicht verteidigen – aber er hasse ihn auch nicht, sagt Manfred Peters. Vor einem falschen ideologischen Hintergrund habe der Vater auch Gutes getan: Er habe etwa verboten, dass Schilder wie „Kauft nicht bei Juden“ in seiner Stadt aufgestellt wurden. Ein Grund dafür mögen die jüdischen Wurzeln in der Familie seiner Mutter gewesen sein, glaubt Peters. Sein Großonkel war der renommierte Komponist Heinrich Kaminski (1886 bis 1946). Dessen Vater war das uneheliche Kind einer Jüdin. Obwohl das Reichssippenamt über das Ariernachweisverfahren diese Verbindung herausfand, blieb der treue Parteigenosse Fritz Peters Bürgermeister.

Wieder gebe es Anschläge auf Synagogen, erstarkten Fremdenhass und Nationalismus, beklagt Manfred Peters, der sich dafür einsetzte, dass „Stolpersteine“ für ermordete Juden in Annweiler verlegt wurden. Als Elfjähriger sah er 1945 die Fotos von den Leichenbergen in den Konzentrationslagern – ein Schock bis heute. Vor allem junge Menschen müssten vor gefährlichen Wegen bewahrt werden, sagt er: „Es ist wichtig, dass man sich erinnert, damit so etwas nie wieder passiert.“ Alexander Lang

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