In Herxheim hat jeder Flüchtling einen eigenen Helfer

Protestantische Kirchengemeinde bietet regelmäßig Gelegenheit zum Kennenlernen – Soziales Engagement im Ort hat historische Gründe

Begegnung gegen Vorurteile: Geflüchtete und Ehrenamtliche beim Gänseessen im protestantischen Gemeindehaus. Foto: Iversen

Majd strahlt. Das 15-jährige Mädchen aus Syrien sucht das Gespräch. Sie redet mit Flüchtlingen und Ehrenamtlichen im Gemeindehaus der pro­tes­tan­tischen Kirchengemeinde in Herxheim, lacht und schaut sich neugierig die Fotos an, die der Pressefotograf an diesem Abend gemacht hat. Majd ist seit einem Jahr in Deutschland. Sie lebt in Herx­heim und besucht die neunte Klasse eines Gymnasiums. Ihr Deutsch ist sehr gut. Auf die Frage, was ihr am besten gefalle bei diesen Abenden der Begegnung im Gemeindehaus, muss sie nicht lange überlegen: „Alles!“

Seit einem halben Jahr treffen sich Geflüchtete und Ehrenamtliche der Kirchengemeinde jeden zweiten Donnerstag für zwei Stunden am Abend. Zunächst geht es in die Kirche zu einem kurzen Vortrag oder einer anderen Darbietung, danach wird im angrenzenden Gemeindehaus gegessen und geredet. Am Donnerstag vor St. Martin erzählt Pfarrsekretärin Bettina Jung die Geschichte des Heiligen. Kinder spielen einige Szenen dazu. Dann wird gesungen: Tapfer summen einige Geflüchtete das Lied vom heiligen Martin mit. Danach geht es ins Gemeindehaus. Heute gibt es Gänsebraten, Rotkraut und Knödel.

Pfarrerin Beate Rahm ist stolz auf ihre Helfer. Im Wechsel bereiten sie die Begegnungsabende vor. Koordiniert werden sie von Bettina Jung, deren Stelle als Sekretärin dafür aufgestockt wurde. Zwischen 20 und 30 Flüchtlinge kommen regelmäßig, hauptsächlich Syrer und Afghanen. Gegenseitiges Kennenlernen und voneinander Lernen sei das Ziel, sagt Gemeindepfarrerin Beate Rahm. „Begegnung ist das Beste gegen Vorurteile.“ Und die Geflüchteten konsumieren hier nicht nur. Sie haben Sketche aufgeführt über ihre Erfahrungen in Deutschland, und sie berichten über ihre Heimat. „Ich habe schon zwei Vorträge über Syrien gehalten“, sagt Majd, die fröhliche Gymnasiastin.

Doch geplant war eigentlich etwas anderes. Vor zwei Jahren war in Herxheim eine Erstaufnahmeeinrichtung vorgesehen. 800 Menschen sollten kommen. Darauf hatte sich die 10 000-Einwohner-Gemeinde vorbereitet. Die neu gegründete Flüchtlingsinitiative „HerxheimBunt“, die Kirchen, der Kindergarten – alle wollten helfen. „In der Kirche sollte es einen Raum der Stille geben“, sagt Rahm. Bei der Hektik mit 800 Menschen in einer Unterkunft wäre ein Rückzugsraum sicher sinnvoll gewesen.

Doch die Grenzen wurden dicht gemacht. Die Unterkunft kam nicht. „Aber das Konzept stand, die Menschen waren bereit“, sagt Rahm. Also nahmen sich die Herxheimer der rund 160 Flüchtlinge an, die der Kommune zugewiesen wurden. 130 Menschen arbeiten bei „HerxheimBunt“ mit, 40 in der Kirchengemeinde. „Wir wollen damit auch in der Gesellschaft dokumentieren, wofür wir stehen“, sagt Gemeindemitglied Christian Roth, im Hauptberuf Büroleiter von Kirchenpräsident Schad.

Dass die Herxheimer so hilfsbereit seien, habe historische Gründe, erzählt Helmut Dudenhöffer von „HerxheimBunt“. Als hier zwischen 1663 und 1668 die Pest wütete, waren die Einwohner unter Quarantäne gestellt und darauf angewiesen, dass ihnen die Nachbarn Brot zukommen ließen. Und das taten sie. Aus Dankbarkeit helfen die Herxheimer bis heute gerne und feiern jährlich die Weihe des Laurentiusbrots.

In Herxheim sind Flüchtlinge daher gut betreut. „Hinter jedem Namen eines Geflüchteten steht der Name eines Helfers“, sagt Dudenhöffer. Seine Initiative berät, bietet Sprachkurse und Begleitung bei Behördengängen. Der Katholik hat auch am Anfang dem Treff bei den Protestanten geholfen. Die hatten ihr Angebot kurz vor dem Ramadan begonnen. „Da sind kaum welche gekommen“, sagt Jung. Dudenhöffer hat bei den Geflüchteten die Werbetrommel gerührt. Inzwischen sind die Donnerstage im Gemeindehaus ein Selbstläufer.

Am kommenden Donnerstag werden dort die Geflüchteten wieder an ihren Deutschkenntnissen feilen. Sie bereiten einen Vortrag über Damaskus vor. Immer wieder werde bei den Treffen auch über den Glauben geredet, sagt Jung. Den geflüchteten Muslimen sei dabei wichtig, den Islam gegen Vorurteile zu verteidigen und seine Friedfertigkeit zu betonen. Diese Erfahrung macht auch Dudenhöffer. Es seien durchaus auch strenggläubige Muslime gekommen. „Aber die Menschen, die zu uns kommen, sind keine Extremisten. Sie sind vor Extremisten geflohen.“ Klaus Koch

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