Die Heilige Familie in Holz

Holzarbeiten des Otterstadter Hobbykünstlers Pietro Rossi erzählen die biblischen Weihnachsgeschichten

Kunstvolle biblische Szenen in Holz: Hofweihnachtsmarkt bei Familie Pietro und Gudrun Rossi (rechts) in Otterstadt. Fotos: Landry

Wer in Otterstadt mit Pietro Rossi hinabsteigt in seinen geräumigen Keller, wähnt sich paradoxerweise in himmlischen Gefilden. Da bevölkert biblisches Personal zuhauf die Räume, recken sich die Silhouetten von Kirchen und Domen, lugen Ochs und Esel zwischen dem kamelreitenden Königstrio hervor. Sterne und geflügelte Himmelsboten krönen die Szenerie.

Was sich dem Betrachter da in vielgestaltiger Üppigkeit präsentiert, nennt Pietro Rossi, der Holzkünstler, schlicht sein „Lager“. Es beinhaltet das staunenswerte Ergebnis unzähliger übers ganze Jahr verteilter Arbeitsstunden zwischen Hobel, Schleifmaschine und mit Schnitzwerkzeug aller Art. Die Bögen und Pyramiden mit den Krippenszenen erinnern entfernt an die erzgebirgische Tradition, zeigen aber doch eher individuelles Profil, haben ihre ganz eigene Aura. Und einen deutlichen Bezug zur Region. Denn – minutiös nachgebildet – sind da die Umrisse der Otterstadter, der Waldseer Kirchen und auch der Speyerer Dom auszumachen. „Und jede andere Kirche, die gewünscht wird“, versichert Rossi.

Der Arbeitsprozess beginnt mit einer sauberen Skizze, zum Teil dienen Fotos als erste Vorlagen. Wenn das Material – Flugzeug-Sperrholz, besonders flexibel und bruchsicher – das er von einer Spezialfirma bezieht, vorbearbeitet ist, beginnt das Ausprobieren. „Ich halte mich in den Details an meine Skizze, lasse aber auch der Fantasie genug Spielraum“, beschreibt er das. „Manchmal muss ich testen, was funktioniert, zuweilen führen nur Umwege zum stimmigen Arrangement.“

Wohlgemerkt – Rossis Holzarbeiten sind Produkte einer Liebhaberei nach Feierabend. Ordentlich als Nebenerwerb angemeldet, wie er sich beeilt zu versichern, aber nichts, womit man reich werden könne. Die wertvollen Holzmaterialien, dazu Innenbeleuchtung der Objekte und sonstiges Zubehör sind durch die erstaunlich zivilen Preise bestens abgedeckt. Die unzähligen Stunden an feinster Handarbeit indes nicht. „Aber es macht mir solche Freude“, strahlt der Meister. „Und ich weiß ja, was Menschen heute noch aufbringen können, das Leben ist so teuer“, stellt er pragmatisch fest.

Geboren ist Pietro Rossi vor 58 Jahren im ländlichen Raum des italienischen Voralpenlandes, in der Region Venetien nahe der österreichischen Grenze. Der Vater, Besitzer eines Marmorwerks, war eher den Umgang mit dem kalten Stein gewohnt. Wer die Liebe zum Holz in ihn eingepflanzt habe – Rossi zuckt mit den Schultern. Er wisse nur, dass er sich schon als kleiner Bub am liebsten mit Laubsägearbeiten beschäftigt, der Geruch von Holz und Leim ihn schon immer stimuliert habe.

Seinen beruflichen Weg suchte der junge Mann dann zunächst als Chemielaborant, bis ihn ein Freund überredete, Italien für ein paar Wochen den Rücken zu kehren. Deutschland ausprobieren, lautete der Plan. „So kam ich mit 22 Jahren mehr zufällig hierher. Wir haben den Sommer über in der Eisdiele gejobbt.“ Das Akklimatisieren fiel dem kontaktfreudigen jungen Norditaliener nicht schwer. Sein liebenswertes italienisch-deutsch-pfälzisches Kauderwelsch entzückte allseits. So wurde eine Saison drangehängt, jetzt mit eigenem Eiswagen auf der Route Waldsee – Otterstadt. Und schließlich blieb Pietro Rossi da.

Und auch sein Lebensglück hat er bald gefunden. Dass er durch die Ehe mit seiner Frau Gudrun auch gleich einen Schreinereibetrieb mitgeheiratet habe, war zunächst einmal nichts weiter als ein Zufall. Auch wenn er dem Schwiegervater zur Hand ging, ruhte die Schnitzerei doch längere Zeit, berufliche Weiterbildung war angesagt – heute arbeitet Pietro Rossi in einem Betrieb für Kies und Sand.

Eines Tages aber sei ein Otterstadter Nachbar auf ihn zugekommen. „Er war bekannt für seine Weihnachts­bögen, musste krankheitsbedingt aufhören und bat mich, seine Kundschaft zu übernehmen.“ Da ließ sich Pietro Rossi nicht lange bitten. „Allerdings hatte der Kollege nach starren Plänen gearbeitet. Davon habe ich mich rasch gelöst. Wollte meinen eigenen Stil entwickeln.“

Und dann legte er richtig los. Beste Voraussetzung war, dass ihm mit der familieneigenen Schreinerwerkstatt alle Gerätschaften zur Holzverarbeitung quasi frei Haus zur Verfügung standen und stehen. Seine geradezu übersprudelnde Kreativität als nie versiegende Stimulanz und ein außergewöhnliches feinmotorisches Geschick ließen mit der Zeit ganze Arsenale biblischer Szenen in Holz erstehen. Und er kennt sich bestens aus in Kreisen der Heiligen Schrift, gestaltet theologisch lupenrein und detailversessen.

Vom kleinsten Krippchen, das in einer halben Nussschale Raum findet, bis zur Verkündigungsszene und den opulenten Doppelbögen mit Hirten, Engeln, Königen und Stallgeschehen folgt alles liebevoll dem biblischen Leitfaden. „Natürlich beschäftige ich mich auch mit den Inhalten sehr intensiv, denn nur so gelingt eine glaubhafte Darstellung, jenseits von dekorativem Kitsch.“ Er sei zwar kein allzu eifriger Kirchgänger, bekennt der Katholik Pietro Rossi, dennoch sehr gläubig. Und gerade in diesem Jahr auch sehr dankbar. Eine lebensbedrohliche Krankheit, die das ablaufende Jahr überschattet, liege hinter ihm, und er fühle sich, als sei ihm ein zweites Leben geschenkt worden. Mit den Holzarbeiten hat er pausieren müssen, auch lange üben, bis die Finger wieder so selbstverständlich gehorchten und die filigranen Konturen in gewohnter Akkuratesse entstanden. „Aber jetzt ist alles gut – ich danke meinem Schöpfer jeden Tag dafür.“

Und Rossi münzt seinen Dank auch in konkrete Hilfe um. Die Otterstadter Präsentationen stattet er traditionell mit einer Tombola aus, deren Erlös für das Kinderhospiz „Sterntaler“ in Dudenhofen bestimmt ist.

In der Vorweihnachtszeit werden sich die Vorräte an Bögen und Weihnachtsschmuck allmählich lichten, wird Platz geschaffen für neuerliche Kreativschübe und frischen künstlerischen Impuls. Skulpturen ganz anderer Art beispielsweise, glatt, schnörkellos, gerade noch gegenständlich. Dafür verwendet Rossi Holz, Buche etwa, das durch leichte Fäulnisspuren natürliche Maserungen aufweist. Sehr effektvoll und apart.

Die Weihnachtsmärkte in Fußgönheim und Speyer und die Präsentation im eigenen Haus sind bereits abgehakt. Aber wer sich noch umschauen möchte im Rossi-Wunderland, sei verwiesen auf den Otterstadter Weihnachtsmarkt (Königsplatz) am zweiten Adventssonntag, 4. Dezember, von 10 bis 21 Uhr, sowie die „Waldweihnacht“ in Dudenhofen, wo Rossi am dritten Adventswochenende ausstellen wird. Gertie Pohlit

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