Eine soziale Idee macht Schule

Landauer Schülerinnen engagieren sich für ihre Stadt – Gruppe der weltweiten „Serve the City“-Bewegung

Sprecherinnen der AG „Serve the City“ der Maria-Ward-Schule (von links): Vanessa Stein, Elise Duthie und Dana Mayer. Foto: Iversen

Im Glasbau der Maria-Ward-Schule herrscht geschäftiges Treiben, stapeln sich Kistchen und Rezeptbögen. Dazu Paletten mit Mehl, Zucker und anderen Backzutaten – ausreichend, um eine Großbäckerei zu beliefern. 28 Mädchen der Orientierungsstufe sind zusammen mit ihrer Lehrerin Susanne Pleus am Werkeln. Liebevoll bepackt werden 160 kleine Kartons jeweils mit Backförmchen, Plätzchenrezept und den dazu passenden Zutaten. Adressat ist die Landauer Tafel, und damit Familien, die Ausgaben für Naschwerk und meist auch das Plätzchenbacken mit den Kindern vor Weihnachten eher unter der Rubrik „entbehrlich“ abhaken. So weit das aktuelle Projekt, dessen Geldquelle im Übrigen aus einem sehr erfolgreichen Verkauf von selbst gebackenem Kuchen im Baumarkt an zwei November-Samstagen sprudelte.

Tatkräftige Unterstützung bekommen die Sechstklässler an diesem Adventsnachmittag von einer Gruppe älterer Mitschülerinnen in hellblauen T-Shirts mit Aufdruck. Sie hatten diesmal ausnahmsweise nicht die Nase vorn, die Mädchen von der AG „Serve the City“ an der Landauer Maria-Ward-Schule. „Aber wir waren so begeistert von der Idee und Einsatzfreude der kleineren Mitschülerinnen, dass wir spontan unsere Mithilfe anboten“, so ist zu hören. Tatsächlich nämlich ist die Gruppe um Vanessa Stein mittlerweile zu einer Art Zugpferd in Sachen sozialen Engagements avanciert.

Drei junge Damen sitzen beim anschließenden Gespräch auf der blauen Couch im gemütlichen Kommunikationstreff der Maria-Ward-Schule und sprühen nur so vor Begeisterung: Elise Duthie, Dana Mayer und Vanessa Stein, jeweils 17 Jahre alt und in Kursstufe 12 verortet, sind Sprecherinnen der schulischen AG „Serve the City“ – mehr noch: Sie haben sie im Sommer 2015 mit wohlwollender Unterstützung der Schulleitung gegründet und leiten sie seither auch selbstständig.

„Auf einen knappen Nenner gebracht: Es geht darum, Brücken zu bauen, Kommunikation herzustellen innerhalb der Gesellschaft, um Ausgrenzung und Vorurteilen zu begegnen“, erläutert Elise Duthie. „Und das“, ergänzt Vanessa Stein, „soll auf ganz konkrete Weise und im direkten sozialen Umfeld unserer Stadt geschehen, mit Projekten und Aktionen, die Menschen zusammenführen und Berührungsängste abbauen helfen.“

Mit der 2005 in Brüssel geborenen und mittlerweile weltweit etablierten Idee von „Serve the City“, genauer ihrer Berliner Gruppe, sei sie per Zufall im Rahmen eines christlichen Jugendcamps in der Schweiz in Berührung gekommen, berichtet Vanessa Stein. Die sehr rührigen Berliner haben dann auch Pate gestanden bei der Gründung der Landauer Sektion und die Anfänge unterstützt.

„Allerdings sind wir unseres Wissens die einzige der acht Städtegruppen in Deutschland, die als schulische AG funktioniert“, vermerkt Dana Mayer nicht ohne Stolz. Etwa 15 Schülerinnen ab Klassenstufe 7 treffen sich seit September 2015 in 14-tägigem Turnus immer mittwochs für ein bis zwei Stunden. Besprochen, ausgewählt und organisatorisch vorbereitet werden dann „Aktionen im Rahmen von sozialem Engagement, was ein weiter Begriff ist“, lacht Dana Mayer.

Also lieber konkret: Auch in diesem Jahr hat sich die Gruppe wieder an der stadtweiten Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ beteiligt. „Wir haben in unserer Schule kleine Geschenkspenden gesammelt, sie dann jeweils für Alter und Geschlecht sortiert hübsch verpackt und an die Sammelstellen gebracht, wo sie an bedürftige Kinder weiterverteilt wurden“, erzählt Else.

Als großartige Erfahrung, vor allem für die jüngeren Teilnehmer der Gruppe, sei ihr der Besuch in der Bad Bergzaberner Altenresidenz „Pro Seniore“ im Gedächtnis, schwärmt Vanessa. Die Mädchen hätten den Service übernommen, Kuchen verteilt, mit den alten Menschen geredet und mit ihnen gesungen. „Und manchmal“, fügt sie nachdenklich hinzu, „auch auf ganz besondere Weise mit ihnen geschwiegen.“

Fantastisch fand das Mädchentrio den Auftritt beim Landauer „Café Asyl“ zu Jahresbeginn; da wurde mit Flüchtlingskindern und Jugendlichen gebastelt „und wirklich viel zusammen gelacht“. Auch der eine oder andere Kontakt sei daraus entstanden. So erteilte Vanessa einem Flüchtlingsjungen eine Weile Deutschunterricht. Ein leuchtendes Ausrufezeichen in Sachen Ökumene platzierte die Gruppe im Frühjahr 2015, als sie beim Großputz in der protestantischen Stiftskirche mitanpackte.

Aber auch schulintern wirkt die Kraft der Idee bereits nachhaltig. „Wir haben ja ebenfalls Flüchtlinge an der Schule und versuchen, sie ganz persönlich anzusprechen und bei der Integration zu unterstützen durch Einladungen, freiwillige Nachhilfe und Ähnliches“, bekräftigt Dana. Ebenso selbstverständlich sei es, dass man sich innerhalb der AG um die Kleineren kümmere, ihnen auch mal bei den Hausaufgaben helfe. Wo immer die Gruppe geschlossen in der Öffentlichkeit als Maria-Ward-Schule-AG auftritt, ist die Lehrkraft Eva Weber als schulische Betreuerin dabei. „Frau Weber kümmert sich sehr um uns, hält sich aber vollkommen im Hintergrund“, loben die drei Mädchen einmütig, „und wir sind ihr wirklich sehr dankbar für ihr tolles Engagement.“

Im Rahmen einer „Serve the City“-Konferenz in Amsterdam mit Teilnehmern aus der ganzen Welt haben Elise und Vanessa während der Herbstferien weitere Impulse erfahren. „Wir wollen jetzt bis zum Ende des Schuljahres Geld sammeln – Kuchenverkäufe sind da stets sehr erfolgreich – und dann größere Projekte starten“, erläutert Vanessa. Zum Beispiel Hilfsprojekte unterstützen, ähnlich wie die Impf-Aktion in Haiti vor einem Jahr; in Landau ein Fußballspiel oder gar -turnier mit gemischten Mannschaften aus Einheimischen und Flüchtlingen organisieren. „Wo Menschen direkt miteinander zu tun bekommen, haben Vorurteile erst gar keine Chance“, bekräftigt Elise. Und ja – über die Weihnachtsferien mache man sich Gedanken über ein Folgeprojekt für die Landauer Tafel. „So für Januar, Februar, wenn die Welle der Hilfsbereitschaft wieder dramatisch abebbt.“

Mitmachen kann übrigens jeder. „Wir freuen uns über Menschen aus der Bevölkerung jeden Alters und Geschlechts. Man muss nicht Mitglied sein, sondern kann jeweils projektweise einsteigen“, sagen die Mädchen der „Serve the City AG“. Gertie Pohlit

Information: www.facebook.com/ServetheCityLandau

Eine weltweit tätige Bewegung

Die „Serve the City“-Bewegung wurde 2005 von einer christlichen Gruppe in Brüssel angestoßen und fand rasch Nachahmer. Mittlerweile ist sie weltweit in über 100 Städten etabliert, darunter Sao Paulo (Brasilien), Johannesburg (Südafrika) und Denver (USA) sowie in Europa in Lissabon, Madrid, Budapest, Genf, Paris und Dublin. In Deutschland gibt es Gruppen in Dresden, Leipzig, Berlin, Hannover, Verden, Bremen, Karlsruhe und Landau. Unter den Maximen Menschlichkeit, Gemeinschaft, Respekt, Mut und Hoffnung sind sie tätig für Flüchtlinge, Kinder in Armut, Obdachlose und alte Menschen. gpo

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