Harter Weg bis zum gemeinsamen harmonischen Fest

Weihnachten ist für Patchworkfamilien eine besondere Herausforderung – Experten geben Eltern und Kindern Tipps für entspannte Feiertage

Stresstest Bescherung: Eltern sollten darauf achten, dass Kinder an Heiligabend nicht in einen Loyalitätskonflikt kommen. Foto: epd

„Unser erstes Weihnachten als Patchworkfamilie war eine einzige Katastrophe“, erinnert sich Beate M., die mit ihren drei Kindern, ihrem neuen Lebensgefährten und dessen zwei Kindern zusammenwohnt. „Weil wir den Kindern, ihren leiblichen Elternteilen und allen Großeltern gerecht werden wollten, haben wir für die Feiertage ein straffes Besuchsprogramm ausgetüftelt.“ So gut der Plan gemeint war, am Ende führte er zu Streit, Eifersüchteleien und Tränen. „Weil der Stress einfach zu groß war und sich trotz aller Bemühungen immer einer benachteiligt gefühlt hat.“ Vier Jahre ist das nun her, und die Familie hat daraus gelernt. „Wir wechseln uns jetzt ab. Ein Jahr feiern die Kinder mit uns zu Hause, im nächsten Jahr bei ihren anderen Elternteilen. Das war ein hartes Stück Arbeit, klappt aber mittlerweile ganz gut.“

Es habe jedoch seine Zeit gedauert, die unterschiedlichen Weihnachtsrituale unter einen Hut zu bringen. „Gibt’s an Heiligabend Würstchen mit Kartoffelsalat oder Königin-Pasteten? Gehen wir in die Kirche oder nicht? Wird vor dem Essen beschert oder danach? Über diesen Fragen haben wir uns die Köpfe heißgeredet.“ Schließlich fand sich auch da eine Lösung. „Wir haben uns auf Fondue geeinigt und damit ein neues, gemeinsames Ritual eingeführt. Mein Partner geht mit seinen Kids in die Kirche, währenddessen mache ich es mir mit meinen gemütlich. Wann beschert wird, lassen wir das Los entscheiden.“ Dass es trotzdem immer mal wieder zu Problemen kommt, hat Beate M. akzeptiert. „So etwas passiert in jeder Familie, da sind wir keine Ausnahme.“

Das sieht Christina Weisbrod von der Erziehungsberatungsstelle des Diakonischen Werks Pfalz in Neustadt genauso. „Allerdings entsteht mit einer Patchworkfamilie ein neues Geflecht von Beziehungen. Darin muss jeder erst seinen Platz finden. Das ist vor allem für die Kinder nicht ganz einfach. Sie müssen sich von etlichen alten Gewohnheiten verabschieden und sich mit anderen anfreunden.“ Das werde an Weihnachten besonders deutlich. Denn kaum ein anderes Fest sei so eng mit Erwartungen und Ritualen verknüpft.

Für Pfarrer Peter Annweiler, der dem Leitungsteam der Telefonseelsorge Pfalz in Kaiserslautern angehört, ist Weihnachten „wie ein Brennglas, unter dem die Themen des Jahres größer erscheinen und sich entzünden können“. Das zeige sich an den vielen Anrufen, die über die Weihnachtsfeiertage eingehen. Dabei drehe es sich oft um Beziehungs- und Familienprobleme, die angesichts des emotionsgeladenen Festes zunehmen. Bemerkenswert sei der höhere Anteil männlicher Anrufer. „Weihnachten scheint viele Männer dünnhäutiger zu machen. Die freien Tage lassen außerdem mehr Raum, um über manches nachzudenken.“ Dabei laufe sich manches Problem so heiß, dass es unter den Nägeln brenne. Dann sei es ratsam, darüber zu reden, um sich zu entlasten. „Wir erfahren immer wieder, dass die Gespräche mit der Telefonseelsorge etwas den Druck nehmen, unter dem die Betroffenen stehen. Das kann verhindern, dass sich die Situation weiter verschärft und eskaliert.“

Um Stress und Konflikte zu vermeiden, rät Christina Weisbrod, das Fest rechtzeitig zu planen, miteinander über Wünsche und Bedürfnisse zu reden und verbindliche Absprachen mit allen Beteiligten zu treffen. Auch mit den Expartnern. „Wenn sich die Erwachsenen uneinig sind, wirkt sich das auf die Kinder aus. Weihnachten kann nur gelingen, indem die getrennten Eltern sich zurücknehmen.“ Deshalb sei es wichtig, Kompromisse zu finden, mit denen jeder gut leben könne. Es sollte aber nicht den Kindern überlassen werden, bei wem sie feiern wollen. „Sie geraten so leicht in einen Loyalitätskonflikt. Denn die Entscheidung für ein Elternteil richtet sich gleichzeitig gegen das andere Elternteil.“ Dürfen sie trotzdem wählen, müsste ihre Entscheidung auch akzeptiert werden. Friederike Jung

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