Flüchtiger Geist aus der Klosterküche

Der Whisky erfreut sich bei Genießern immer größerer Beliebtheit • von Alexander Lang

Vor allem schottische und irische Single Malts gibt es im Speyerer Geschäft „The Scottsman“ im Angebot. Foto: Landry

Regelmäßig veranstaltet der Speyerer Whisky-Experte Harry Hammelmann Whisky-Seminare und auch Reisen nach Schottland. Foto: Landry

Thomas Sippel aus ­Weisenheim am Berg erhielt für ­seinen „Palatinatus“ eine Silber­medaille bei den „Germany's Best Whisky Awards“ in Frankfurt. Foto: Franck

Thomas Sippel bietet seinen Whisky in verschie­denen Geschmacks­varianten an. Foto: Franck

Wer als Erstes den flüchtigen Geist eingefangen und in ein Holzfass gesperrt hat, bleibt wohl immer im Dunkeln. „Diese Frage lässt sich nicht auflösen“, sagt „The Scottsman“ Harry Hammelmann und lässt den Blick über sein Ladenregal in Speyer schweifen. Da steht sie, eine Auswahl der besten Single-Malt-Whiskys aus Schottland und Irland mit den klingenden gälischen Namen: Laphroaig, Auchentoshan, Lagavulin, Craigellachie, Bowmore.

Schotten und Iren liefern sich seit vielen Generationen einen Glaubensstreit darüber, wer die aus Getreidemaische gewonnene und mindestens drei Jahre im Holzfass gereifte Spirituose erfunden hat. Irische Mönche, so sagt eine Legende, seien die Ersten gewesen, die den bräunlich bis bernsteinfarben schimmernden Whisky vor Jahrhunderten durch Experimentieren in ihren Klosterküchen gewannen. Heute erfreut sich der Whisky, der lange Zeit als der Trank harter Jungs galt, international bei Vertretern beider Geschlechter wachsender Beliebtheit.

Die Araber in Spanien legten im frühen Mittelalter mit der Erfindung der Destillation von Alkohol den Grundstein für die Whisky-Herstellung, führt der Whisky-Experte Hammelmann aus. Die nordafrikanischen Muslime entwickelten den Alambic, einen helmartigen Destillierapparat, mit dem sie Stoffe erhitzten und die hochprozentigen Dampfwolken wieder auffingen. Der Alkohol diente als Grundlage für medizinische Heilmittel.

Die Menschen in Europa schauten sich wie so vieles auch die Alkoholherstellung von der Hochkultur der Mauren ab, erzählt der gelernte Industriekaufmann Hammelmann. Regelmäßig bietet er nicht nur Whiskyverkostungen und Seminare an, sondern auch Reisen nach Schottland. In seinem Speyerer Laden­geschäft bietet der 49-jährige schwergewichtige Whisky-Kenner insgesamt 140 Sorten an – Single Malts aus Schottland und Irland sowie einige aus Mais gebrannte Bourbons ausamerikanischer und kanadischer Produktion.

Der Nationalheilige der Iren, der heilige Patrick, soll im 5. Jahrhundert das Wissen der Alkoholherstellung, das sich von Südfrankreich aus in ganz Europa verbreitete, auf die grüne Insel gebracht haben. Von Irland aus vermittelte der Missionar den heidnischen Schotten das Christentum – und wohl auch das Know-how, wie man das hochprozentige, „geistige“ Getränk herstellt. In den Klöstern, den Zentren der abendländischen Wissenschaften, verfeinerten Mönche – die zugleich auch oft Alchemie betrieben – das Wasser des Lebens.

In Schottland entwickelten sich von den Klöstern ausgehend zahlreiche kleine Hausbrennereien, in denen wohl vor allem Bauersfrauen ihre Getreideüberschüsse „verflüssigten“. Die Iren hingegen waren die ersten in Europa, die die Alkohol-Destillation in gewerblichen Brennereien in großem Stil betrieben, sagt Hammelmann. Erstmals wurde Whisky 1644 in Schottland besteuert – was zu Unruhen zwischen den christlichen Konfessionen sorgte: „Katholischer“ Whisky wurde höher besteuert, als der „protestantische“, erzählt Hammelmann, der jährlich rund drei Monate in Schottland verbringt. Dies habe viele katholische Hersteller ins Schwarzbrennen gedrängt.

„Preistreiber Nummer eins beim Whisky ist die Verfügbarkeit“, erläutert Hammelmann, „je älter, desto teuerer.“ Hauptproblem für die Hersteller ist die lange Reifezeit des Whiskys in alten Wein- oder Sherryfässern. Mindestens drei Jahre lang muss ein Single-Malt-Whisky – eine Abfüllung, die aus einer Brennerei stammt – reifen. Je länger der Brand im Fass liegt, desto mehr nimmt er die Aromen aus dem Holz auf. Die Schärfe verflüchtigt sich, er wird weicher und milder. Schottischer und irischer Whisky darf traditionell nur Gerstenmalz, Wasser und Hefe enthalten – der Bourbon, der „Whiskey“ aus der Neuen Welt, wird hingegen aus Mais gebrannt und schmeckt schärfer und „eindimensionaler“.

Whiskytrinken ist ein besonderes Erlebnis für den Geschmackssinn, weiß Hammelmann. Ausschlaggebend dafür, ob ein Whisky fruchtig oder rauchig-torfig schmeckt, ist das Holzfass, in dem er gelagert war – und was sich zuvor darin befunden hat. Whiskydestillerien kaufen alte Wein-, Sherry-, Portwein- oder Bourbonfässer an, deren Eichenholz die jeweiligen Geschmacksnoten in sich aufgesogen hat.

Zwar rümpft der „Scottsman“ aus Speyer die Nase, wenn er hört, dass der Whisky ein „Modegetränk“ geworden sein soll. Dennoch räumt er ein, dass es in den vergangenen 20 Jahren bei Freunden von hochprozentigen Getränken einen Geschmackswandel gegeben habe: Viele Cog­nac­lieb­haber seien auch aufgrund gezielter Werbekampagnen auf den Whiskygenuss mit seiner größeren Geschmacksbandbreite umgeschwenkt.

Hammelmann weist den Vorwurf von Alkoholgegnern zurück, die Spirituose sei wegen ihres hohen Alkoholgehalts gefährlich und könne zum Säufertum verleiten: Mindestens 40 Volumenprozent Alkohol enthält der Whisky, der meist in 0,5- oder 0,7-Liter-Flaschen abgefüllt wird. Zum einen sei er ein Genussmittel, das üblicherweise in kleinen Mengen verkostet werde, um alle Geschmackssinne zu beflügeln. Zum anderen bleibe der Kreis der Genießer wegen der vergleichsweise hohen Preise beschränkt: Ab 30, über 300 Euro und bis 3000 Euro kann man für eine Flasche schottischen oder irischen Whiskys ausgeben.

Eine richtige Whisky-Kultur habe sich nach 1945 kaum entwickelt, als billiger US-amerikanischer Whisky das Land „überflutete“, wie Hammelmann sagt. Jahrzehntelang diente er nur für Mixgetränke, meist mit Cola. Erst Anfang der 1980er Jahre habe sich ein Absatzmarkt für die hochwertigen Single Malts entwickelt. Heute habe der Whisky ein jugendliches, tatkräftiges Image. Die Werbung ziele „auf erfolgreiche Menschen, die noch etwas erfolgreicher werden wollen“, sagt Hammelmann.

Dass sich auch Nicht-Schotten und -Iren an der Kunst des Whiskydestillierens mit wachsendem Erfolg versuchen, findet der „Scottsman“ durchaus in Ordnung. Besonders die Japaner seien beim Whisky-Destillieren längst über das bloße Kopieren hinaus – und sogar prämierter Weltmeister. In Deutschland machten die meisten Hersteller Whisky nur als ein Nebenprodukt und hätten noch viel zu lernen, urteilt Hammelmann. Obstbrenner sollten die für ihre Region typischen Spirituosen besonders gut machen – und im Zweifelsfall eher die Finger vom Whiskymachen lassen. Dennoch habe der deutsche Whisky „ein Potenzial“, das ausbaufähig sei, konzediert er. Mittlerweile wird in bundesweit rund 150 Brennereien Whisky produziert, informiert der Verband Deutscher Whiskybrenner im baden-württembergischen Heroldstatt.

Ein Obstbrenner, der sehr erfolgreich in die Whiskyproduktion eingestiegen ist, ist Thomas Sippel aus dem pfälzischen Weisenheim am Berg. Der 44-jährige Winzer erhielt kürzlich bei der Messe „Interwhisky“ in Frankfurt am Main einen Preis für seinen dreieinhalbjährigen „Palatinatus“: Bei den „Germany’s Best Whisky Awards 2016“ gewann er eine silberne Medaille für seine 2011er Erstabfüllung. Der Whisky, der aus Pfälzer Gerstenmalz in einer bronzenen Brennblase destilliert wurde, sei eine „Hommage an meine Heimat, das größte zusammenhängende Weinanbaugebiet Deutschlands“, sagt Sippel. Weiches Weisenheimer Quellwasser sei für die besondere Milde des „Palatinatus“ verantwortlich.

Rund 3500 Liter Single-Malt-Whisky stellt Sippel jährlich her, der sein Destillat in Pfälzer Rotwein- und danach in Portweinfässern lagert. Schon länger destillierte er Obst, der Boom um den Whisky in Deutschland spornte ihn an, etwas Neues zu versuchen. Sippels in Halbliterflaschen abgefüllter Whisky wurde zudem in die „deutsche Whiskybibel“, den „Whisky Guide Deutschland 2017“, aufgenommen. Zwei weitere Whiskybrenner gibt es in der Pfalz – Ralf Hauer aus Bad Dürkheim und Bernhard Höning aus Winnweiler. Konkurrenzdenken herrsche unter den Whiskybrennern in der Region nicht, man kenne sich gut und tausche sich aus, versichert Sippel. Wichtig ist ihm die Rückmeldung seiner Kunden, wie ihnen der Whisky schmeckt. „Ich will schließlich besser werden.“ Er selbst bezeichnet ihn als „leicht süßlich mit ein bisschen Karamell und Buchenrauch und auffallend ölig“. Neben seinem Single Malt bietet er mehrere Whiskyvariationen an, unter anderem mit Wildkirsch, Sahne und Marula, der Frucht des afrikanischen Elefantenbaums.

Sippel kommt in seinem Ein-Mann-Betrieb bei der Produktion des zeitintensiven Getränks kaum hinterher. „Ich könnte mehr verkaufen, muss aber die Zeit zur Reife absitzen“, seufzt er. 1200 Fässer mit jeweils 250 Litern Inhalt würde er gerne zukünftig produzieren, sein Keller fasst aber nur die Hälfte. „Die Nachfrage reißt nicht ab“, berichtet der Whisky-Macher, der hofft, auch einmal einen ausgereiften, zwölfjährigen Whisky anbieten zu können. Gerne würde Sippel seinen Whisky auch im europäischen Ausland verkaufen, den „Papierkrieg“ aber scheut er: „Da bin ich zu klein.“

Nur wenige Kritiker und Neider hätten sich negativ zu Wort gemeldet, dass er als Winzer und Obstdestillateur auch Whisky herstelle, erzählt Sippel. „Die meisten Leute sagen: Lass ihn doch sein Ding machen.“ Seine Leidenschaft für den Whisky lässt er sich nicht nehmen. „Ich bin total happy“, sagt Sippel, dessen Weingut eine mehr als 300-jährige Tradition hat. Für seinen vierjährigen Sohn hat er übrigens ein eigenes 100-Liter-Faß abgefüllt. Irgendwann einmal, wenn er groß ist, will er es mit ihm gemeinsam aufmachen.

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