Eilzugposaune und Spaßgeige

Kirchenmusikalische Momentaufnahmen von Kompositionen bis zum Kantor wider den klerikalen Ernst

Humor trifft Musik: Clownin Gisela Ermann in der Landauer Stiftskirche anlässlich der Reihe „Landauer Orgelpunkt“. Foto: VAN

Dass die christlichen Gottesdienst-Agenden einst befreiendem, offen zur Schau gebelltem – Pardon: gestelltem – Lachen am Entree zu gottesdienstlichen Weihehandlungen strikten Einhalt geboten, ist ein alter Hut. Ein geschichtlich belegter Kalauer sozusagen. Jeder weiß das, der seinen Eco gelesen hat, jenen düsteren Klosterserienmord-James-Bond (Superspürnase Sean Connery mal in Mönchskutte), wo „im Namen der Rose“ am Fließband gemordet wird, nur um künftige Generationen von Christenmenschen davor zu bewahren, jemals jene 17 Gesichtsmuskeln zu bewegen, die bekanntlich das Lachen in Gang setzen. Finsteres Mittelalter.

Heutzutage „preddischt de Parre“ am Faschingssonntag schon mal „uff Pälzisch“ (so in der Landauer Stiftskirche), oder er geht witzelnd „midde Peif’ in die Keersch“. Auch ganz amüsant. Und wenn Pfarrer Arno Backhaus auf einer Frankfurter Kanzel mal einen Witz erzählt und gleich anmerkt „Bitte nicht lachen – das ist ein Gottesdienst!“, weiß in der Regel auch jeder, was von dieser Empfehlung zu halten ist. Und der Kantor? Was macht eigentlich der Kantor auf seiner Orgelbank?

Auch da gibt es neuerdings eine Reihe nennenswerter Initiativen, die belegen, dass Kantoren keineswegs humorlose Menschen sind, auch wenn Verkündigungsauftrag und Amtswürde ihnen in der Regel angemessene Seriosität verordnen. Die Vorfastenzeit, dem Volksmund als Karneval, Fasching, Fastnacht geläufig, bietet da beste Voraussetzungen, mal die S …, nein, nicht was Sie denken – die oben genannte Seriosität kurzzeitig an den Nagel zu hängen.

Da lässt sich beispielsweise eine traditionsreiche Orgelkonzertreihe mit dem Auftritt einer Clownin aufmischen. Orgelmusik in originelle, witzige, behutsam ironisierende Bewegungen übersetzt: Es lächeln verklärt die Omas, lachen die Kleinsten, schmunzeln am Ende selbst die zunächst säuerlich pikiert abwehrenden, konservativen Orgelkonzert-Abo-Veteranen.

Überaus humorig und keineswegs an die fünfte Jahreszeit gebunden ist der Song, den Georg „Schorsch“ Zimnol, Kantor zu St. Jakob in Saarbrücken-Burbach und ehemaliges Mitglied der Evangelischen Jugendkantorei der Pfalz, gelegentlich mit seiner Kantorei auflegt. Ein witziger Stoßseufzer sozusagen des zuweilen gestressten Chorleiters mit Blick auf seine nicht immer so pflegeleichte Herde, wirkungsvoller als jede moralinsaure Gardinenpredigt und in einschlägigen Kollegenkreisen gerne nachgeahmt. „Lästerday“ – die Beatles lassen grüßen.

Und wie hielten es die musikalischen Vorfahren? Jens Wollenschläger, Universitätsprofessor aus Tübingen und Titularorganist an der Tübinger Stiftskirche mit Pfälzer Wurzeln, hilft. Und dämpft gleich die Erwartungen. „Die Würde des Raumes und mögliche Konsequenzen bei Verletzung derselben dürfte die meisten Komponisten davon abgehalten haben, ,Unseriöses‘ für die Orgel zu schreiben.“ Freilich: Im Mittelalter seien die Herren Kompositeure durchaus auch unter den Spitzbögen mal zu Scherzen aufgelegt gewesen. Aber vorsichtshalber per Improvisation, frei von der Seele präludierend; aber ja keine Notation hinterlassend, um die Inquisition aus ihren Spitzellöchern heraus nicht auf den Plan zu rufen.

Nicht übersehen werden sollte auch die der Natur abgelauschten Orgelkompositionen, die – höchst effektvoll in Szene gesetzt – wenn nicht zum Lachen, so doch zum Schmunzeln anregten. Georg Friedrich Händels Orgelkonzert „Kuckuck und Nachtigall“ etwa oder die donnergewaltige Gewitterschilderung in der „Hirtenwonne“ des Schwaben Justus Heinrich Knecht (1752 bis 1817). Telemann wiederum hat die Gattung Kantate mit seinem „Schulmeister“ um eine für damalige Verhältnisse höchst respektlose Parodie bereichert. Johann Sebastian Bach wiederum schaute mit der „Bauernkantate“ dem derben Volk ausgelassen aufs Maul und in der „Kaffee-Kantate“ den feinen Dämchen tief in die damals suchtartig in Mode gekommenen Tassen mit dem Türkentrunk. Schmunzeltöne das! Ein wirklich herzhaft ausgelassene Zwerchfellübung indes hält Meister Bach in der strengen h-Moll-Messe bereit: Da wird im „Et resurrexit“ der Tod mit einem vielstimmig berstenden Oster-Lachen im Fortissima gefoppt, dass die Wände nur so wackeln.

Und damit zu P.D.Q. Bach, dem angeblich letzten Sohn des großen Thomaskantors, entdeckt, nein: kreiert und biografisch aufgepeppt durch den US-amerikanischen Musikprofessor Peter Schickele. Der geniale Witzbold macht uns dessen Erdendasein für die Zeit zwischen 1807 und 1742 weis, bedingt – das hat natürlich Logik – durch die stetige musikalische Zurückentwicklung; wie überhaupt die totale Abwesenheit von Begabung ein Oeuvre zeitigte, das Seinesgleichen sucht – mehr dazu in der einschlägigen Humorliteratur.

Zum Schluss, das darf nicht fehlen, geht der Blick nach Wien, wo auf der Orgelbank des Wiener Stephansdoms in einer kleinen Schnaufpause zwischen zwei fetten Fantasie-und-Fuge-Konvoluten der ältere Bruder von Max Reger das späte Licht der Welt erblickte. Moritz sein Name, wie auch sonst. Ein schräger Typ, der nicht nur mit den gesammelten Attributen einer aberwitzigen Slapstick-Persönlichkeit aufwartet, sondern in seinem Schlepptau auch sämtliche kirchenmusikalischen Säulenheiligtümer in einem zwerchfellerschütternden kabarettistischen Whirlpool durchspült.

Sein Schöpfer Peter Planyavsky (alias Plagiavsky!), mehr als 30 Jahre Domorganist und Professor am Wiener Konservatorium, lässt dabei kaum eine Spielwiese, respektive dürre Brache des profanen Kantorenalltags aus. Und beim Lesen bleibt garantiert kein Auge trocken. Seine ausführlichen „Richtlinien für Chorproben“ sind garantiert ein Highlight der Probe am Rosenmontag (wenn die schon sein muss). Fortfahren ließe sich dann mit dem Quiz für Kirchenmusiker, mit Fragen, die etwa so lauten: „Wozu benötigt man einen Bassschlüssel? a) zum Absperren einer Bassgeige, b) zum Entschlüsseln der Markierungen auf den österreichischen Alpenpässen, c) zum Öffnen einer Herrentoilette, die kein Tenor betreten darf.“

Auch die Dispositionsempfehlungen für Orgelneubauten sind bedenkenswert: Mit einer Registerauswahl zwischen „Moorflöte, Transalpin, Auspuff, Bach-Stelze, Eilzugposaune, Spaßgeige, Schiff-Flöte und Schnulzian“ dürfte die impulsgebende Frage nach dem Lachen im Gottesdienst ein für allemal vom Tisch sein. Na dann: Helau (volkstümlich für Halleluja)! Gertie Pohlit

Peter Planyavsky: Moritz Reger und andere Schrägheiten. Dr. J. Butz Musikverlag, 2005. 114 Seiten, 13,50 Euro. ISBN 978-3-928412-04-9

„Lästerday“

Refrain: Kirchenchor, dienstagabends probt der Kirchenchor, hat man g’rade mal nix Bessres vor, dann geht man halt zum Kirchenchor.
1. Strophe: Schräge Töne, Lärm und Geschwätz, so singt man hier, dazu reicht man sich manchen Schnaps und manches Bier bei uns im …
Refrain
2. Strophe: Frohe Lieder, nette Gesellschaft, ach wie schön! Lauter Wohlklang, edle Gesinnung, bis halb zehn, drum kommt zum … Refrain
Coda: Komm’ se doch zum Kirchenchor!
Text: Georg Zimnol, Melodie: Yesterday (Paul McCartney)

 

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