Schad: Als Volk und als Kirche versagt

Christlich-jüdische Gemeinschaftsfeier vor der Eröffnung der „Woche der Brüderlichkeit“ in Ludwigshafen

Nach dem Segen des Aaron (von links): Bischof Wiesemann, Kirchenpräsident Schad und Landesrabbiner Brandt. Foto: Kunz

Angesichts der NS-Verbrechen appellierte Kirchenpräsident Christian Schad, dass Scham und Verantwortung für die Folgen vergangener Schuld auch heute das gemeinsame Handeln bestimmen müssen. Wo es keinen Respekt vor dem Heiligen gebe, sei auch kein Respekt vor den Menschen, sagte Schad bei der christlich-jüdischen Gemeinschaftsfeier vor der zentralen Eröffnung der „Woche der Brüderlichkeit“ in Ludwigshafen.

Nach den Worten Schads läuft die Erinnerung an die Jahre 1933 bis 1945 ins Leere, wenn sie nicht mit der praktischen Solidarität für Kinder, Frauen und Männer verbunden werde, die an Leib und Leben bedroht bis nach Deutschland geflohen seien. „Heißen wir sie unter uns herzlich willkommen“, sagte Schad. Er erinnerte daran, dass es keinen Aufschrei gegeben habe, als „in unseren Städten“ die Synagogen brannten, als jüdische Geschäfte und Wohnungen geplündert wurden. „Wir sind als Volk und als Kirche in einen unsagbaren Abgrund gestürzt“, sagte er.

Landesrabbiner Henry G. Brandt forderte dazu auf, auch angesichts „der schlimmen Erfahrungen“ der Vergangenheit und der Gegenwart nicht zu vergessen, „wie viel Verantwortung in unserer Welt existiert“. Obwohl dies nicht in den Nachrichten veröffentlicht werde, seien Menschen doch überall damit beschäftigt, ihren Mitmenschen beizustehen. Das Motto der diesjährigen Woche lautet: „Im Gehen entsteht der Weg.“ Der Landesrabbiner sagte: „Wir gehen diesen Weg nicht ohne Hilfe, wir haben von Anfang an einen Wegführer gehabt und haben ihn immer noch: die Weisheit Gottes.“

Als „bitteren Tiefpunkt in der jüdischen Geschichte der Pfalz“ bezeichnete Bischof Karl-Heinz Wiesemann die Deportation der Juden im Oktober 1940 in das Internierungslager Gurs. Für viele sei Gurs nur eine Station auf dem Weg nach Auschwitz und andere Vernichtungslager gewesen, und noch immer schmerzten das damalige Schweigen und die Tatenlosigkeit. Umso mehr freue es ihn, dass sich in Speyer eine neue jüdische Gemeinde gebildet habe. Jetzt gelte es, alte und neue Formen des Antisemitismus anzuprangern und zu bekämpfen. Die 2011 eingeweihte Synagoge Beith-Schalom sei heute das religiöse Zentrum der jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz. „Es ist gut, dass wir jüdisches Leben bei uns haben“, sagte der Bischof von Speyer. mez

Nährboden für Antisemitismus bereitet

Augsburger Theologe mit Buber-Rosenzweig-Medaille ausgezeichnet – „Woche der Brüderlichkeit“ eröffnet

Die bundesweite christlich-jüdische „Woche der Brüderlichkeit“ ist am vergangenen Sonntag zentral in Ludwigshafen eröffnet worden. „Niemand darf sich an die tägliche Realität der Bedrohung von Juden in diesem Land gewöhnen“, forderte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. Es sei bedrückend und beschämend, dass der Vorsitzende des Zentralrats der Juden überlegen müsse, ob Juden an bestimmten Orten besser keine Kippa tragen.

Den Kirchen schrieb der bayerische Landesbischof eine besondere Verantwortung zu: Der theologische Antijudaismus der Vergangenheit sei mitverantwortlich dafür, „dass eine rassistische Ideologie des Antisemitismus Nährboden gefunden hat, die unendliches menschliches Leid angerichtet hat“. Deswegen sei der christlich-jüdische Dialog so wichtig. Vorbildlich hätten sich dabei der katholische Augsburger Theologe Hanspeter Heinz und der von ihm geleitete Gesprächskreis „Juden und Christen“ beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken engagiert. Dafür erhielten sie die Buber-Rosenzweig-Medaille 2015 der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.

Die katholische Präsidentin des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Eva Schulz-Jander, griff die Morde von islamistischen Extremisten und die Pegida-Demonstrationen auf. Bei all diesen und den weltweiten Konflikten werde oft gefragt, ob nicht die Religion schuld sei. Religion lehre, andere zu achten, setzte sie dagegen.

Hanspeter Heinz trug als Lernergebnis des von ihm geleiteten Gesprächskreises „Juden und Christen“ vor: „Das verweigerte Ja Israels zu Jesus von Nazareth kann auch von Christen als Treue zur jüdischen Tradition gewertet werden.“ Die Kirche müsse die jahrhundertealte „Lehre der Verachtung“ gegenüber den Juden zurückweisen, sagte er. Heinz betonte, dass die Person Jesus Christus sich nicht von seiner Zugehörigkeit zum jüdischen Volk trennen lasse. Die Anerkennung der Juden verbiete die „Judenmission“. Die von Papst Benedikt XVI. 2008 neu formulierte Karfreitagsfürbitte mit der Einleitung „Für die Bekehrung der Juden“ sei eine Provokation. „Besser hätte ihm zugestanden, für die Bekehrung der Kirche zu beten“, sagte Heinz.

Die Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Deutschland setzen sich für den christlich-jüdischen Dialog sowie für ein friedliches Zusammenleben der Völker und Religionen ein. Sie veranstalten seit 1952 jedes Jahr die „Woche der Brüderlichkeit“. epd

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