Der Kirche einen neuen Rhythmus geben

In der Regio-Gruppe Pfalz des bundesweiten Netzwerks Church Convention diskutieren Pfarrer regelmäßig Formen künftiger Gemeindearbeit

Erfolgreiches Konzept: Einmal im Monat treffen sich die Scouts Fußgönheim an einem Samstagnachmittag. Foto: pv

Kirche attraktiv für verschiedene Milieus machen, darüber tauschen sich regelmäßig zehn Mitglieder in der Regio-Gruppe Pfalz des bundesweiten Netzwerks Church Convention aus, dessen Jahrestreffen vergangene Woche in Tübingen zu Ende gegangen ist.

„Wie erreichen wir Menschen, die nichts mit Kirche zu tun haben, vielleicht auch schon in der zweiten oder dritten Generation?“, fragt Pfarrer Martin Henninger aus Frankenthal. Antworten könne die Bewegung „Fresh Expressions of Church“ (Fresh X) aus Großbritannien geben. Kirchengemeinden machten Angebote für verschiedene Altersgruppen und Interessen. Betrachte er aber die aktuelle Sinus-Milieu-Studie, bewege sich die Kirche an den Milieus jenseits der bürgerlichen Mitte, jenseits von Traditionsorientierten und adaptiven Pragmatikern vorbei. „Es ist nicht mehr eine Kirche für alle“, sagt er. Deshalb müssten Gemeinden versuchen, sich auf neue Milieus einzulassen, auch jenseits der Kirchenräume.

Denn zu Fresh X gehört, die Menschen dort aufzusuchen, wo sie sich in ihrer Freizeit treffen. So gibt es etwa Fresh-X-Gruppen, die in Fitnesscentern stattfinden. In Frankenthal schwebt Henninger schon länger die Gegend um den Mina-Karcher-Platz vor. „Für uns als Gemeinde hier ist das Terra incognita, wir bekommen dort keinen Fuß auf den Boden, das ist schade“, sagt er. Jetzt sucht er Menschen, die dort leben und Lust haben, eine kirchliche Initiative zu starten. Schließlich gehe es nicht darum zu missionieren, ein Defizit in Sachen Glauben zu beheben. „Ich mache das mit euch, nicht ich mache das für euch“, laute die zentrale Aussage. Die Kirche müsse lernen, Verantwortung an die Menschen zu geben, die von Angeboten profitierten.

Generell sei die Anbindung vieler Menschen in der Pfalz an die eigene Gemeinde allerdings noch deutlich stärker als im Fresh-X-Mutterland Großbritannien, sagt Pfarrer Wolfram Kerner aus Fußgönheim, der mit Martin Henninger die Regio-Gruppe Pfalz leitet. Aus diesem Grund funktionierten auch noch Konzepte aus der Gemeinde heraus. Dazu zählten andere Zeiten und Gestaltungsformen von Gottesdiensten, etwa mit Teampredigten oder Theater sowie Kindertage statt klassischer Kindergottesdienste.

Einmal im Monat findet wechselnd in Fußgönheim und Schauernheim mit „Punkt 11“ ein moderner Gottesdienst am Sonntag statt, berichtet Kerner von einer Entwicklung in seiner Gemeinde. Junge und alte Menschen feiern hier zusammen, Musik macht eine Band. „Ursprünglich hatte ich das Angebot auf den Nachmittag gelegt, um nicht die klassischen Gottesdienstbesucher zu verlieren“, sagt Kerner. Die interessierten sich aber plötzlich auch vermehrt für die neue Gottesdienstform. So wanderte er auf den Vormittag.

Mit der Pfadfindergruppe wiederum, die sich einmal im Monat samstags für drei Stunden in Fußgönheim trifft und starken Zulauf erfährt, hat die Gemeinde auf die Tatsache reagiert, dass viele Kinder nach der Ganztagsschule unter der Woche keine Lust auf eine regelmäßige Gruppenstunde haben. „Das habe ich im Gespräch mit anderen Eltern erfahren“, sagt Kerner. Häufig sei es so, dass nicht das Interesse an der Kirche verloren gegangen sei, sondern sich der Lebensrhythmus geändert habe. Und Gemeinden einfach lernen müssten, entsprechend zu antworten.

Auch beim Thema Seelsorge. So ist nach Pfarrer Henninger der Tod eines der Themen, das das Milieu der jungen Performer, erfolgreiche, technikorientierte Menschen mit Familie, häufig umtreibt. Ihr Leben bewege sich meistens in den Bahnen Arbeit und Familie, sie sind erfolgsorientiert. „Was ist meine Lebensmitte?“, sei aber eine Frage, die immer wieder aufkomme.

Die Mitglieder des Netzwerks haben auf überregionaler Ebene darauf geantwortet. In den vergangenen vier Jahren wurden zwei Bücher für Hauptamtliche zu Bestattung und Taufe herausgegeben. Unter anderem geht es darum, wie Lieder und Texte integriert werden können, die den jeweiligen Milieus entsprechen. 2017 soll ein Buch zur milieuspezifischen Kommunikation des Evangeliums erscheinen. Florian Riesterer

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