Gott allein zur Ehre musizieren

Der Protestantische Posaunenchor Appenthal ist in vielerlei Hinsicht ein besonderes Bläserensemble

Hat keine Nachwuchsprobleme: Der Protestantische Posaunenchor Appenthal bringt Generationen zusammen. Foto: LM

Die kleine Emma marschiert mit unternehmungslustig wippendem Pferdeschwanz auf den Instrumentenschrank zu, schnappt sich ihre Trompete und verschwindet nach nebenan zur Jungbläserprobe. Gerade mal sieben Jahre alt ist sie und hat bereits den Sprung von den Anfängern zur Jugendformation geschafft. „Sie ist einfach gut und hoch motiviert“, erläutert Christa Rottmayer dem ungläubig staunenden Gast. Aber die süße Nachwuchstrompeterin bleibt nicht das einzige Aha-Erlebnis beim Blick in die „Wundertüte“ Posaunenchor Appenthal. Die dynamische, eloquente Erzieherin führt seit 26 Jahren den Stab am Pult des mit knapp 20 Aktiven ebenso klangstarken wie klangschönen Bläser-Ensembles im Elmsteiner Ortsteil.

Und wenn Rottmayer engagiert, dabei aber trotzdem gelassen all die Aktivitäten ihrer Truppe in der Talgemeinde und darüber hinaus schildert, zieht man innerlich unwillkürlich den Hut. Rund 25 Auftritte absolviert das mit Trompeten, Posaunen, Hörnern und Tuba gut besetzte Ensemble im Laufe eines Jahres.

Doch erst einmal geht der Blick zurück ins Gründungsjahr 1950. Damals glühten sieben musikbegeisterte Teilnehmer einer evangelischen Jugendfreizeit für ein gemeinsames Anliegen: einen Posaunenchor. Allerdings beherrschte keiner ein Instrument dieser Art, Noten- und Literaturkenntnisse hatte erst recht niemand. Aber es gab rettende Engel in Gestalt zweier Bläser des örtlichen Musikvereins. „Die brachten uns die ersten Flötentöne bei“, heißt es in der Chronik der Festschrift zum 50-jährigen Bestehen im Jahr 2000.

Während der Gründerjahre herrscht nachkriegsbedingter Mangel. Es gibt weder Noten noch Instrumente, nicht einmal einen Raum zum Proben. So treffen sich die zukünftigen Musiker im häuslichen Wohnzimmer. Überhaupt müssen die Jugendlichen erst einmal Notenschrift pauken. Instrumente werden geliehen oder gebraucht erstanden, ihr Zustand ist miserabel. Die erste Probenlokalität im Gasthaus „Zum alten Turm“ funktioniert so lange, bis es den Nachbarn zu viel wird. Zumal bis zum Anschlag geübt wird. Der Saal ist im Winter lausig kalt, und jeder stiftet ein paar Scheite Brennholz. So bläst man ins Horn, bis das letzte Stück Holz verbrannt ist.

Trotzdem wird bereits zum Weihnachtsfest 1950 im Gottesdienst gespielt – ein Jahr später fließt eine erste Geldspende der Kirchengemeinde. Landeskirche, Gustav-Adolf-Werk und die Ortsgemeinde ziehen nach. Und auch die Bläser bleiben nicht untätig, sind fortan mit Strick- und Backwaren erfolgreich beim Weihnachtsmarkt präsent. Mit Berthold Uhly, Organist und ausgebildeter Kirchenmusiker, findet sich schnell jemand, der bereitwillig und kompetent den Taktstock in die Hand nimmt. Den legt er anschließend rund 40 Jahre – mit einer kleinen berufsbedingten Unterbrechung – nicht aus der Hand.

Christa Rottmayer kam noch unter ihrem Mädchennamen Vorstoffel als Jungbläserin zum Posaunenchor. Und erwies sich dazu als glänzende Aktivistin in Sachen Akquise. Der zwischenzeitlich auf dreifache Größe gewachsene und im gesellschaftlichen Leben Elmsteins etablierte Posaunenchor rutschte immer mal wieder ins Besetzungstief. Fluktuation, wie jeder Chor sie kennt. 17 Jahre alt sei sie gewesen, erinnert sich Rottmayer, als sie mit ihrer Kollegin Christa Heintz von Tür zu Tür gegangen sei, um Nachwuchs zu werben für den Posaunenchor. Erfolgreich im Übrigen: Denn 27 Jungbläser – mit zwei Ausnahmen alle aus Appenthal – kamen ab 1988 in den Genuss kostenlosen Unterrichts auf bereitgestellten Instrumenten.

1991 dann, 20-jährig und inzwischen mit einer abgeschlossenen Leiterin-Ausbildung in der Tasche, wechselt Rottmayer ans Pult des Posaunenchors, der mittlerweile einer der fünf Aussagen der Reformation in seinem Namen verankert hat, mit der auch Bach viele seiner Werke unterschrieb: Protestantischer Posaunenchor Appenthal Soli Deo Gloria. Der ist im Übrigen ein Familien­unternehmen par excellence. Rottmayers Mann Thomas ist seit vielen Jahren vor allem in der Ausbildung der Jungbläser aktiv, Matthias Vorstoffel, Bruder der Leiterin und jetzt in Venningen lebend, reist zu jeder Freitagsprobe mit seiner Tuba an. Und alle vier Rottmayer-Kinder, 19, 17, 15 und zehn Jahre alt, sind ebenfalls mit von der Partie.

Die Probe findet mittlerweile in einem Raum der Grundschule statt, den die Gemeinde Elmstein seit Jahren zur Verfügung stellt. Dort konnten sich die Musiker mit Noten- und Instrumentenschränken, Pulten und anderem häuslich einrichten. Schließlich wissen die Elmsteiner, was sie an ihrem Appenthaler Posaunenchor haben. Denn nicht allein Gottesdienste aller Art – protestantisch, katholisch, ökumenisch, in wechselnden Kirchen und Ortsteilen oder im Grünen – wurden und werden gestaltet. Beim Neujahrsempfang, an Fronleichnam, Vereinsjubiläen und vielem mehr ist die Bläsertruppe um Christa Rottmayer einfach unverzichtbar.

Wer Gelegenheit hat, kurz vor der Probe Mäuschen zu spielen, dem schwant rasch, was hier neben der Lust am wirklich anspruchsvollen musikalischen Zusammenspiel der entscheidende Punkt ist: Mitten in der technisch überfrachteten Konsumwelt, etwas abseits dessen, was man den Mainstream nennt, funktioniert eine Gemeinschaft richtig gut. Generationenübergreifend. Ohne Abschottung, sondern mit auf Senden gerichteten Antennen.

Längst zählen Freizeiten und Fortbildungen im Rahmen des Landesverbands, Gastauftritte in ganz Deutschland, Teilnahmen an Evangelischen Kirchentagen und schulisches Big-Band-Engagement Einzelner zum Rahmen-Kanon des Teams. All das befruchtet, liefert stets frische Impulse. Und hat den Posaunenchor Appenthal mittlerweile in die Position eines geachteten Kulturträgers katapultiert. Wie sonst könnte man sich erklären, dass Christa Rottmayers Werbebesuche in der kleinen Grundschule Elmstein schon mal zehn Anmeldungen zum Einsteigerunterricht zeitigen. Und auch wenn nicht alle durchhalten – das Fundament für die nächste Generation steht. Zukunftsträchtig, mit Trompeten und Posaunen. Gertie Pohlit

Der Mai ist gekommen …

Jedes Jahr am 1. Mai lädt der Posaunenchor Appenthal zu einer besonderen Veranstaltung. Dann wird der Frühling – falls dieser immer noch auf sich warten lässt – mit schönen Bläserklängen herzitiert. Von Station zu Station ziehen die Bläserinnen und Bläser durch ganz Appenthal. Bei jedem Halt erklingt von Neuem das Frühlingslied „Der Mai ist gekommen“, gefolgt von zwei, drei weiteren Stücken.

Naturfreundehaus, Glockenturm, Spielplatz, Friedhof und Alter Turm werden auf diese Art bespielt. Zwischendurch wird gemeinsam gefrühstückt und zum Abschluss ein zünf­tiges Spießbratenessen veranstaltet. Dazu reisen befreundete Bläser aus der ganzen Pfalz und von weiter an. So schwillt das Ensemble rasch eben mal zu einer sinfonischen Größe von 40 bis 50 Spielenden an.

Auch an Heiligabend finden sich zuweilen Fremde ein. Wenn um 18 Uhr am Glockentürmchen die Christnacht geblasen wird, dann, so ist von einer längst weit weg beheimateten Alt-Elmsteinerin zu hören, „ist für mich richtig Weihnachten“. gpo

Meistgelesene Artikel