Wenn der Redestab aus knorrigem Rebholz kreist

In Männergruppen tauschen sich Teilnehmer über ihre Probleme aus – Elf Speyerer Männer treffen sich monatlich – Neue Gruppen geplant

Suche nach neuen Rollenbildern: Die Männer der Speyerer Gruppe schöpfen im Gespräch Kraft für den Alltag. Foto: Landry

Es mutet an wie ein geheimnisvolles Ritual aus längst vergangener Zeit. Männer sitzen schweigend im Kreis. Es knistert kein Lagerfeuer, aber auf einem Tuch auf dem Boden flackert eine Kerze. Daneben stehen eine Klangschale und eine Tasche mit Steinen. Einer der Männer greift nach einem knorrigen Stück Rebholz, dem Redestab. Er holt tief Luft und sagt offen, was ihm auf dem Herzen drückt. Alle vier Wochen kommen elf Männer aus der ganzen Metropolregion Rhein-Neckar im Speyerer St. Georgenhaus zu einem zweistündigen Gesprächsabend in einer „Männergruppe“ zusammen.

Dort tauschen sie sich aus, sprechen über ihre Sorgen, Ängste, Nöte und Sehnsüchte, sagt Gerd Humbert. Der landeskirchliche Männerreferent von der Evangelischen Arbeitsstelle Bildung und Gesellschaft in Kaiserslautern hat ein großes Ziel: In den kommenden Jahren will er flächendeckend im Gebiet von pfälzischer Landeskirche und Bistum Speyer solche Männergruppen gründen, die sich nach gewisser Zeit selbst tragen sollen.

Männergruppen, deren Mitglieder durchschnittlich zwischen 40 und 65 Jahren alt sind, gibt es auch in Kaiserslautern, Pirmasens, Landau, Kandel, Altrip und auf nordbadischer Seite etwa in Karlsruhe und in Walldorf. In der Metropolregion ist in den vergangenen Jahren ein dichtes Netz der kirchlichen Männerarbeit entstanden, in dem sich Kirchengemeinden, Beratungsstellen und Arztpraxen engagieren.

Männer wollten nicht nur über Autos oder Fußball sprechen, sondern suchten tiefer gehende Gespräche mit anderen Männern, sagt Humbert. Die Vertreter des „starken Geschlechts“, die in Beruf und Familie unter permanentem Erfolgsdruck stehen, brauchten geschützte Räume, in denen Platz für ihre Themen sei. Dort, im respektvollen Gespräch mit anderen Männern, könnten sie versuchen, den Weg zum „richtigen“ Mannsein sowie einen pfleglichen Umgang mit dem eigenen Körper und Geist zu finden, sagt Humbert. Im Männerkreis sollten sie neue Kraft schöpfen können für den Alltag. Themen sind unter anderem Sexualität, Gesundheit, Glaube und Tod.

„Die Gruppe hat mir geholfen, zu mir selbst zu kommen“, erzählt Robert von der Speyerer Männergruppe, die seit zwei Jahren besteht. Wie der 65-jährige Hans aus Lampertheim haben die meisten Mitglieder durch Mund-zu-Mund-Propaganda von ihrer Existenz erfahren. Persönliche Dinge – „die erzählt man nicht in der Kneipe“, bringt es einer für alle auf den Punkt. Noch immer seien Männer geprägt durch alte Rollenbilder: Sie sollen stark sein, alle Probleme selbst regeln. Das überfordere, mache einsam und oft genug auch krank.

Die meisten Männer hätten sich von der Kirche längst verabschiedet, die sie als „verstaubt und vereinnahmend“ empfänden, sagt Humbert, der in seiner Speyerer Heimatgruppe ein „Gleicher unter Gleichen“ ist, wie er sagt. Und doch: Auch spirituelle Themen seien wichtig bei den Gruppentreffen, bei denen die Frage der Konfession zweitrangig sei, betont er.

Zum „Seelenstriptease“ wird bei den regelmäßigen Gesprächstreffen niemand gezwungen, versichern die Männer. Vielmehr gehe es darum, andere an der eigenen Lebensgeschichte teilhaben zu lassen und sich gegenseitig Mut zu machen. „Man spürt Resonanz“, versichert Gruppenmitglied Reinhard.

In zehn Jahren sollte es normal sein, dass sich Männer mit der Frage „In welcher Männergruppe bist du?“ begrüßten, wünscht sich Gerd Humbert. „Und zudem“, verrät der Männerreferent augenzwinkernd, „für Frauen sind Männer interessant, die in einer Männergruppe sind.“

Am Sonntag, 22. März, findet in der Neustadt-Hambacher Pauluskirche von 11 bis 16 Uhr ein „Männertag“ statt, bei dem eine neue Neustadter Männergruppe gegründet werden soll. Das Motto der Veranstaltung lautet „Beziehungs-weise? Wie Männer Beziehung gestalten (wollen)“. Die Kosten betragen 20 Euro. Informationen erteilt Gerd Humbert, e-mail: gerd.humbert@gmx.de, Telefon 01 70 / 2 15 82 53, Internet: www.maennernetzpfalz.de. Alexander Lang

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