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Alle Sünder sind in der Kirche gleichrangig
von Klaus Koch
Ein Tag der offenen Tür spielt immer auch mit der Neugier der Menschen. Natürlich war es am vergangenen Wochenende im Speyerer Landeskirchenrat nicht anders. Wie sieht es da aus, in dieser obersten Behörde, wie sind die Büros bei denen da oben ausgestattet, haben die in ihren Toiletten goldene Wasserhähne? Doch Kirchenpräsident Christian Schad hat in seiner Predigt beim Eröffnungsgottesdienst gleich klargemacht, dass die Rede von „oben“ und „unten“ in der protestantischen Kirche den Punkt nicht trifft. Jeder, der mitarbeite an der Kirche Jesu Christi, tue dies im gleichen Rang.
Diese auf Martin Luthers Priestertum aller Glaubenden zurückgehende Aussage ist an Deutlichkeit nicht zu überbieten: Pfarrer, Dekane, Oberkirchenräte oder Kirchenpräsidenten sind in dieser Kirche kein bisschen bedeutender als Presbyter, Chorsänger, Kirchendiener oder Gottesdienstbesucher. Das klingt zunächst faszinierend, kann aber für beide Seiten, für Hauptamtliche wie für Ehrenamtliche, eine Anfechtung sein. Denn selbstverständlich entsteht auch an der Spitze einer Kirchenverwaltung bei Konflikten das Bedürfnis, einmal so richtig durchzugreifen. Und ebenso selbstverständlich gibt es an der sogenannten Basis genau diese Erwartung an die Kirchenoberen.
Persönliche Animositäten, Streit in der Gemeinde, wirtschaftliche Schieflagen, Strippenzieherei bei Personal- oder Sachentscheidungen in den Gremien – nichts davon ist der Kirche fremd. Denn hier arbeiten, wie überall auf dieser unerlösten Welt, ganz normale Menschen. Menschen, deren Schwierigkeiten und Charakterschwächen durch singen oder beten alleine nicht zwangsläufig verschwinden. Und Christen haben darüber hinaus das Problem, dass ihre Messlatte in der öffentlichen Wahrnehmung unendlich hoch liegt. Sie werden werktags auch nach dem beurteilt, was sie sonntags predigen und bekennen.
Christen wissen, dass sie, gleichgültig welches Amt sie bekleiden, gleichgültig wie oft sie den Gottesdienst besuchen, Sünder sind. Doch wenn Kirche ihre Strahlkraft erhalten oder wiedergewinnen will, sollte sie, sollten ihre Mitglieder und Mitarbeiter mit ihren Defiziten erkennbar anders umgehen, als das in der Gesellschaft allgemein üblich ist. Christen und Kirche müssten öfter einmal für eine Überraschung sorgen: öffentlich Fehler eingestehen, versöhnlich auf Widersacher zugehen, freiwillig auf Einfluss verzichten, die eigenen Interessen hintanstellen, denen helfen, die nicht damit rechnen.
Kirchenpräsident Schad hat den Presbytern in der Gedächtniskirche zugemutet, sich so zu verhalten, dass ihnen die Menschen abspüren, dass sie von der Zuversicht getragen sind, die die Kirche anderen weitersagt. Das klingt genauso gut wie die Rede von der Gleichrangigkeit aller Kirchenmitglieder. Ist aber im täglichen Leben genauso schwer umzusetzen.